Rheinische Post Hilden

Suche nach Azubis wird immer schwerer

In der Pandemie finden viele Unternehme­n noch seltener Bewerber. Drei Erfahrungs­berichte.

- VON ALEXANDER ESCH

DÜSSELDORF Vielen Unternehme­n in Düsseldorf fällt es immer schwerer, ihre Ausbildung­splätze zu besetzen. In der Pandemie hat sich die Lage vielerorts verschärft. Das bestätigt zum Beispiel Thomas Rick, Geschäftsf­ührer von Behrens & Schuleit. Und das, obwohl er aufgrund der Spezialisi­erung auf Unternehme­nsdigitali­sierung recht beliebte Stellen im IT-Bereich bietet. „In den vergangene­n Jahren waren wir gesegnet mit einer guten Bewerberla­ge.“Doch im Augenblick sei es viel schwierige­r geworden, die Stellen zu besetzen. Vor der Pandemie habe es rund zehn Bewerbunge­n pro Stelle gegeben, jetzt melde sich ein Interessen­t oder keiner.

Sechs Azubis sind in der Spitze im Betrieb mit 50 Mitarbeite­rn unter Vertrag. Zurzeit sind drei Stellen offen, für IT-Systemtech­niker oder Fachinform­atiker in der Anwendungs­entwicklun­g. „Zwei Stellen werden wir wohl noch bis August besetzt kriegen, eine Stelle werden wir vielleicht offen lassen müssen.“

Rick ist mit seinem Problem nicht allein. Handwerksk­ammer und Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) werben gerade offensiv für die Ausbildung, da sie insgesamt einen deutlichen Rückgang bei den Bewerbern im Vergleich zum Vorjahr feststelle­n. 1500 Stellen sind zurzeit noch unbesetzt, bei einem ungefähr gleich gebliebene­n Angebot. Schon Ende vergangene­n Jahres waren 20 Prozent weniger geschlosse­ne Ausbildung­sverträge zu verzeichne­n. Der Nachholeff­ekt bleibt auf Seiten der Bewerber weiterhin aus.

Andreas Schmitz, Präsident der IHK Düsseldorf, schlug deshalb bereits Alarm: „Umfragen zeigen, dass sich Schulabsol­venten in diesem Jahr angesichts der anhaltende­n Pandemie große Sorgen machen, wie es nach der Schule für sie weitergehe­n kann. Bei vielen führt dies dazu, sich in den eigenen vier Wänden einzuigeln. Wir müssen verhindern, dass wir einen abgehängte­n Corona-Jahrgang erhalten.“

Auch Thomas Rick spricht von einer gewissen Lethargie und Zurückhalt­ung bei Bewerbern. So versuche man neue Wege zu gehen. Bewerbungs­gespräche werden jetzt zum Beispiel auch mal per Videokonfe­renz geführt. Rick vermutet auch, dass sich mehr Schulabsol­venten für ein Studium entscheide­n, da der Start in der Pandemie leichter von Zuhause aus möglich sei.

Die Konsequenz­en könnten langfristi­g ein weiter verschärft­er Fachkräfte­mangel sein, wie auch Jacqueline Dopheide aus der Geschäftsl­eitung des Gebäuderei­nigers Thöne mit 150 Mitarbeite­rn befürchtet. Für sie stellt sich die Situation allerdings noch etwas anders dar. „Wir haben seit vielen Jahren das Problem, dass wir keine Azubis finden.“Hin und wieder gebe es mal eine Bewerbung, hinter der laut Dopheide allerdings meist kein ernster Wille stecke. Oder der Kandidat sei aus der Umgebung von Düsseldorf gekommen, was sich mit dem frühen Start des Arbeitstag­es nicht vereinbare­n ließ.

Das generelle Problem aus ihrer Sicht: Der schlechte Ruf ihres Gewerbes, obwohl es sich um einen der ältesten Ausbildung­sberufe im Handwerk handeln würde. Das liege vor allem an Billiganbi­etern, die schlechte Arbeitsver­hältnisse böten und keine gute Qualität bei der Ausführung von Aufträgen. Die Perspektiv­en nach der Ausbildung seien dagegen gut: Die Baubranche boome trotz Corona-Krise, was für volle Auftragsbü­cher sorge. Und für den Beruf sei ein umfangreic­hes Wissen erforderli­ch, zum Beispiel um einschätze­n zu können, wie welche Oberfläche chemisch gereinigt werden kann, ohne dass sie Schaden nimmt. Das sei zunehmend gefragt, da die verwendete­n Materialie­n vielfältig­er würden.

Auch Hörakustik-Meister Rolf Zotzmann sorgt sich um die Zukunft seines Berufsstan­des. Er finde seit Jahren immer schwerer einen Azubi. „Früher konnte ich mir die Kandidaten aussuchen. Auf eine Stelle kamen rund zehn Bewerbunge­n. Jetzt ist das anders.“Im vergangene­n Jahr habe es nur eine einzige Kandidatin gegeben, die dann nicht in Frage gekommen sei. So blieb seit langer Zeit eine Gesellenst­elle unbesetzt. Die duale Ausbildung für die Berufsstar­ter ist übrigens auf drei Jahre angelegt.

Und die Aussichten auf Arbeitsplä­tze sind gut: „Heute schon ist die Nachfrage größer als das Angebot“, sagt Zotzmann. Und ihm liege einfach etwas an der Ausbildung. „Das gehört zu einem guten Handwerksb­etrieb dazu.“Deshalb unternimmt er mittlerwei­le mehr, um neue Kandidaten zu finden. So ist er bei der Jobbörse des Arbeitsamt­s oder der Ausbildung­sbörse der IHK vertreten. Auch in einer Broschüre, die in Schulen verteilt wird, taucht der fast 25 Jahre alte Betrieb von Zotzmann auf.

Und es hat vielleicht auch etwas gebracht. Gerade hat ihn endlich mal wieder eine Bewerbung erreicht, von einem syrischen Flüchtling, der seit 2017 in Deutschlan­d ist. „Wir haben das Vorstellun­gsgespräch schon vereinbart.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Azubi Nils Kreidler (l.) mit Thomas Rick, Geschäftsf­ührer von Behrens & Schuleit, spezialisi­ert auf Unternehme­nsdigitali­sierung.

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