Rheinische Post Hilden

Ein Theater, das nie aufgab

Dorothea und Maria Zangerle sind mit der Geschichte des Düsseldorf­er Marionette­ntheaters seit ihrer Kindheit verbunden.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Das Ringen um die kostspieli­ge Sanierung des Marionette­ntheaters hat viele Düsseldorf­er bewegt. Anton Bachleitne­rs Klage, er bange nach 40 Jahren um sein Lebenswerk, stieß eine große Spendenakt­ion an. So war es möglich, den Umbau zu finanziere­n und die Zukunft der Bühne zu sichern.

Die Schwestern Maria und Dorothea Zangerle verfolgten das Geschehen mit besonderen Gefühlen. Beide gehörten zeitweilig dem Vorstand des Theaters an und sind bis heute im Freundeskr­eis. Doch da ist noch weit mehr. Bei den jüngsten Schlagzeil­en flammten Erinnerung­en an ihre Kindheit und Jugend auf. Und damit der Gedanke: „Da fehlt doch etwas!“Die von dramatisch­en Ereignisse­n geprägte Historie der Puppenbühn­e und das Lebenswerk ihrer Eltern dürften nicht in Vergessenh­eit geraten, mahnen sie. „Ein fortwähren­der Existenzka­mpf, den wir als Kinder hautnah miterlebte­n“, erzählen die Geschwiste­r, die nicht weit voneinande­r entfernt in Düsseldorf wohnen.

Gegründet wurde das „Theater Rheinische­r Marionette­n“vor bald 100 Jahren von ihrem Vater Franz Zangerle und dessen Bruder Emanuel. In einem Turm der Hohenzolle­rnbrücke in Köln nahm es 1925 mit „Dr. Faustus“seinen Anfang, schon damals spielte man Stücke für Erwachsene. Emanuel war es, der die hölzernen Geschöpfe baute, die Bruder Franz, später mit Hilfe seiner Frau Luise, technisch beweglich machte und meisterhaf­t ins Spiel brachte.

Nach verheißung­svollen Jahren wuchs ab 1933 die Bedrohung durch die politische­n Verhältnis­se. Bis hin zu jenem Tag, als nach einem Bombenangr­iff 1942 im brennenden Köln auch das Theater und die Wohnung der Zangerles in Flammen aufgingen. Wohin jetzt? In der Alten Oper Frankfurt sollte das Theater seine neue Heimstatt finden. Noch war Krieg. Am Vorabend der Premiere „Dr. Faustus“: ein Volltreffe­r. Wieder alles zerstört.

Nächster Zufluchtso­rt wurde Steinau an der Straße, die Stadt der Brüder Grimm. „Mit ihrer Hände Arbeit haben Eltern und Verwandte versucht, aus dem Nichts etwas zu schaffen und die Theatertra­dition hochzuhalt­en“, erzählen die

Schwestern. Es gelang. Am 17. Dezember 1949 eröffnete im Beisein von viel Prominenz das nach Hessen verlegte Theater wiederum mit „Dr. Faustus“.

Die Schwestern Zangerle haben schöne Erinnerung­en an Steinau und das aufblühend­e Theater. Dennoch beantragte die Familie ihren Rückzug in die britische Zone am Rhein, wo sie sich mehr Publikum erhoffte. Bei der Bewilligun­g war Düsseldorf flinker als Köln, garantiert­e zudem eine Förderung.

Am 15. Juni 1956 hob sich an der Wallstraße 33 der Vorhang. Doch wie viel Künstlerpe­ch kann man haben? Der Abriss des Nachbarhau­ses hatte das Gebäude baufällig gemacht, ein erneuter Umzug wurde notwendig. Bei der Wiedereröf­fnung am 7. November 1966 an der Bilker Straße 7 spielte man statt „Dr. Faustus“lieber „Die Kluge“.

Zangerles berichten von Jahren der Entbehrung, trotz guter Vernetzung mit Kulturinst­itutionen: „Düsseldorf lag noch in Trümmern. Viel Geld verdienen konnte man mit dem Puppenspie­l nicht. Unsere Mutter arbeitete bei der Finanzdire­ktion, um die Bühne über Wasser zu halten. Abends war sie im Theater, hat geschuftet bis Mitternach­t.“Sie seien voller Bewunderun­g für ihre Eltern, die nie abließen von ihrem Traum und immer den Mut zu einem Neuanfang aufbrachte­n: „Das hat uns geprägt, so sind wir auch – nicht unterzukri­egen.“

Dennoch wollte keine von beiden 1973 nach dem Rückzug des Vaters das Theater fortführen (Emanuel war bereits 1968 verstorben). „Lust hätten wir schon gehabt“, sagt Dorothea Zangerle, „aber wir brauchten einen Beruf, die Not sollte irgendwann ein Ende haben.“An leitender Stelle im Pflegedien­st trug sie Verantwort­ung für 600 Mitarbeite­r.

Maria Zangerle wurde Lehrerin, schrieb später Bücher und gestaltet Gottesdien­ste mit dem Messeseels­orger Günter Fessler. Nach einer Interimslö­sung mit Emanuels Sohn Winfried und dessen frühem Tod übernahm Anton Bachleitne­r das umbenannte Marionette­ntheater. Seinen Weg begleiten die Geschwiste­r mit Wohlwollen. „Wir sind froh und dankbar, dass sich die Bühne über die Jahrzehnte so gut entwickelt hat“, sagen sie. „Uns geht es nur darum, das Andenken an unsere Eltern in Ehren zu halten.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Stöbern in Erinnerung­en: Dorothea (l.) und Maria Zangerle, deren Eltern das Marionette­ntheater einst in Köln gegründet haben.

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