Der „Enkeltrick“klappt seit Generationen
Unbekannte bekommen hohe Geldbeträge. Oder den Familienschmuck. Warum fallen Senioren auf Telefonbetrüger rein ? Kriminalhauptkommissar Wilke sagt, die Täter werden raffinierter und machen den Opfern richtig Stress.
KREIS METTMANN Im Hintergrund lief der Polizeifunk – vermutlich von einer Tonkonserve. Und auch auf skeptische Rückfragen war der Betrüger vorbereitet. Man könne ja in die bestehende Telefonverbindung hinein die „110“wählen und sich bei der Leitstelle nach der Echtheit des Anrufes erkundigen. Das Freizeichen ertönte – ebenfalls eingespielt; dann gab sich eine Männerstimme als „Polizeileitstelle“aus. Am Ende war die Seniorin überzeugt – und wurde einen Geldbetrag in fünfstelliger Höhe los. „Die Täter gehen raffiniert vor und setzen ihre späteren Opfer unter einen enormen Druck. Solcher Stress erzeugt Denkblockaden“, sagt Kriminalhauptkommissar Udo Wilke, bei der Kreispolizei Mettmann zuständig für Prävention und Opferschutz. Im Nachhinein schämen sich die Betroffenen, reingefallen zu sein. Doch dann ist es meist zu spät.
Seit den 1990er ist der Enkel-Trick polizeibekannt und damit öffentlich. Eigentlich hatten die heutigen Senioren 30 Jahre Zeit, um sich auf einen perfiden Telefonangriff auf ihr Geld und Gold und ihren Schmuck vorzubereiten. Doch Hochmut oder gar Spott gegenüber allen, die auf falsche Enkel, kriminelle Polizisten-Darsteller oder Schein-Handwerkern reinfallen, sei fehl am Platz, sagt Wilke: „Die Methoden und Geschichten werden immer raffinierter.“
So meldeten sich Mitte April zahlreiche Senioren aus Wülfrath bei der Stadt und der Polizei. Sie waren scheinbar von städtischen Angestellten angerufen worden, von Pseudo-Energieberatern oder vermeintlichen Handwerkern. Die Unbekannten behaupteten, es müssten Sanierungsarbeiten in den Wohnungen durchgeführt werden – und horchten dann die Angerufen über ihre Lebensumstände aus.
Anfang April erbeuteten falsche Polizisten bei Senioren in Haan und Erkrath jeweils hohe Geldsummen. Sie ängstigten die Senioren über Tage hinweg mit Hinweisen, ihr Name stünde auf einer Einbrecherliste. Am Ende übergaben die Opfer entnervt ihre Wertsachen, damit Fake-Beamte sie sicher verwahren sollten.
Falsche Polizeibeamte machten zur gleichen Zeit einer 82-Jährigen aus Velbert so lange Druck, bis sie einer Pseudo-Bankmitarbeiterin einen Geldbetrag im mittleren fünfstelligen Bereich aushändigte.
„Die Täter haben ein Gespür für ihre Zielpersonen“, sagt Kriminalhauptkommissar Udo Wilke, der durch vorbeugende Aufklärung helfen will, solche Straftaten zu vermeiden. Manchmal verhindert ausgerechnet ihre gute Erziehung die ältere Generation daran, den Tricks der Betrüger etwas entgegen zu setzen. „Viele sagen mir, es ist doch unhöflich, in einem Telefonat einfach aufzulegen oder jemandem die Tür vor der Nase zuzuschlagen“, berichtet Wilke. Genau das aber würde für Abstand und Raum zum Nachdenken sorgen. „Rufen sie im Zweifel ihre Familie um Hilfe oder ganz einfach ihren Enkel zurück, auch wenn der angeblich im Krankenhaus liegt oder beim Notar sitzt“, rät Wilke. Falls sich Senioren eine solche Gegenkontrolle nicht mehr zutrauen sollten, so Wilke, gebe es die Möglichkeit, auf die eigenen Kinder zu verweisen: „Wenden Sie sich an meinen Sohn, der regelt das.“
In all seinen Gesprächen auf Veranstaltungen und in Seniorenheimen versucht Wilke, seinen Zuhörern einen Mittelweg aufzuzeigen.
„Ich nenne das, ein gesundes Misstrauen zu entwickeln.“Wer zudringlich wird, in die Wohnung eindringen will („Ich muss mal“oder „Haben Sie ein Glas Wasser?“), habe oftmals etwas zu verbergen. Im Zweifel dürfe der Polizeinotruf „110“kontaktiert werden, so Wilke: „Da gibt es Unterstützung.“Einige Sachbearbeiter im Präsidium Mettmann haben die Ergebnisse voin Wilkes Präventionsarbeit übrigens schon zu spüren bekommen. „Manche Senioren legen jetzt sofort auf, sobald jemand sagt, er sei von der Polizei.“Auch wenn es sich um einen Beamten mit echter Dienstmarke handelt.