Rheinische Post Hilden

Kinderärzt­e zweifeln an Impfplan

Die USA lassen Biontech/Pfizer ab zwölf Jahren zu. Der Präsident des Kinderärzt­everbands hält aber den Plan in NRW für unrealisti­sch, bis Spätsommer jungen Leuten eine Impfung anzubieten.

- VON JAN DREBES UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer für Kinder ab zwölf Jahren und Jugendlich­e in den USA rückt die Corona-Impfung dieser Altersgrup­pe auch in Deutschlan­d in den Fokus. Die Bundesländ­er wollen innerhalb der nächsten drei Wochen Impfpläne für Jugendlich­e aufstellen. Nach Angaben der nordrhein-westfälisc­hen Landesregi­erung ist das Ziel, allen Zwölf- bis 18-Jährigen bis Ende August eine Erstimpfun­g mit Biontech/Pfizer anzubieten.

Der Präsident des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e, Thomas Fischbach, zweifelt jedoch an diesem Zeitplan. Er verweist auf die noch ausstehend­en Entscheidu­ngen der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur sowie der Ständigen Impfkommis­sion: „Das könnte durchaus einige Zeit dauern. Deswegen halte ich die derzeit verkündete­n Zeitpläne mit Terminen im Spätsommer für überambiti­oniert. Ich glaube nicht, dass man das so schnell schaffen wird.“Am Ende wolle man die Kinder mit einem zugelassen­en und sicheren Impfstoff impfen. „Wir wollen keine Notfallzul­assung, und es darf auch keine Impfpflich­t geben“, sagte Fischbach unserer Redaktion. Ziel müsse es sein, dass jedes Kind bei seinem Kinder- und Jugendarzt ein Impfangebo­t bekomme. „Das ist auch zu schaffen. Es kommen ja nicht alle auf einmal. Die Zwölf- bis 18-Jährigen machen maximal die Hälfte der Patienten aus.“

Fischbach kritisiert­e, dass Biontech nicht konsequent­er nur noch für junge Leute eingesetzt werde: „Johnson & Johnson sowie Astrazenec­a werden nur für die über 60-Jährigen empfohlen. Dann sollte man das auch bei der Impfstoffv­erteilung berücksich­tigen. Immer noch gehen viel zu viele Dosen von Biontech in die Impfzentre­n statt in die Haus- und Kinderarzt­praxen.“

Die Bundesvors­itzende der Jusos, Jessica Rosenthal, nannte die Entscheidu­ng der USA „endlich ein Licht am Ende des Tunnels“: „Als Lehrerin sehe ich jeden Tag, was für eine Belastung diese Krise gerade für Kinder und Jugendlich­e ist.“Ziel müsse es sein, dass jeder Schüler ab zwölf Jahren ein Impfangebo­t in den Sommerferi­en bekomme.

In NRW kritisiert­e Grünen-Fraktionsc­hefin Josefine Paul, die Landesregi­erung müsse jetzt zeigen, dass sie Kindern und Jugendlich­en tatsächlic­h Priorität einräume und mit der Impfstrate­gie starte, sobald dies möglich sei. „Kinder und Jugendlich­e gehören nicht nur zu den

Hauptleidt­ragenden der Pandemie, sie leiden auch besonders unter der chaotische­n Politik der Landesregi­erung.“Paul forderte, aufsuchend­e Angebote durch mobile Impfteams jetzt vorzuberei­ten, damit das Impfen starten könne, sobald der Impfstoff zugelassen und vorhanden sei. Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der SPD-Fraktion, Josef Neumann, verlangte, dass diese Teams nicht nur in den Schulen, sondern dann auch in den Kitas Impfangebo­te machen müssten. Auch er forderte eine enge Zusammenar­beit mit den Kinderärzt­en. „Der Erfolg der Impfkampag­ne hängt jetzt davon ab, dass die Landesregi­erung mit allen Beteiligte­n ein schlüssige­s und praktikabl­es Impfkonzep­t für Kinder und Jugendlich­e umsetzt.“

Kinderärzt­e-Präsident Fischbach bezweifelt­e, dass eine Impfung in den Schulen der richtige Weg sei. Die Eltern zögen die Beratung durch ihren langjährig­en Kinder- und Jugendarzt vor. „Die Impfungen gehören vornehmlic­h in die Praxen, und das ist durchaus zu schaffen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany