Kinderärzte zweifeln an Impfplan
Die USA lassen Biontech/Pfizer ab zwölf Jahren zu. Der Präsident des Kinderärzteverbands hält aber den Plan in NRW für unrealistisch, bis Spätsommer jungen Leuten eine Impfung anzubieten.
DÜSSELDORF Die Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer für Kinder ab zwölf Jahren und Jugendliche in den USA rückt die Corona-Impfung dieser Altersgruppe auch in Deutschland in den Fokus. Die Bundesländer wollen innerhalb der nächsten drei Wochen Impfpläne für Jugendliche aufstellen. Nach Angaben der nordrhein-westfälischen Landesregierung ist das Ziel, allen Zwölf- bis 18-Jährigen bis Ende August eine Erstimpfung mit Biontech/Pfizer anzubieten.
Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, zweifelt jedoch an diesem Zeitplan. Er verweist auf die noch ausstehenden Entscheidungen der Europäischen Arzneimittelagentur sowie der Ständigen Impfkommission: „Das könnte durchaus einige Zeit dauern. Deswegen halte ich die derzeit verkündeten Zeitpläne mit Terminen im Spätsommer für überambitioniert. Ich glaube nicht, dass man das so schnell schaffen wird.“Am Ende wolle man die Kinder mit einem zugelassenen und sicheren Impfstoff impfen. „Wir wollen keine Notfallzulassung, und es darf auch keine Impfpflicht geben“, sagte Fischbach unserer Redaktion. Ziel müsse es sein, dass jedes Kind bei seinem Kinder- und Jugendarzt ein Impfangebot bekomme. „Das ist auch zu schaffen. Es kommen ja nicht alle auf einmal. Die Zwölf- bis 18-Jährigen machen maximal die Hälfte der Patienten aus.“
Fischbach kritisierte, dass Biontech nicht konsequenter nur noch für junge Leute eingesetzt werde: „Johnson & Johnson sowie Astrazeneca werden nur für die über 60-Jährigen empfohlen. Dann sollte man das auch bei der Impfstoffverteilung berücksichtigen. Immer noch gehen viel zu viele Dosen von Biontech in die Impfzentren statt in die Haus- und Kinderarztpraxen.“
Die Bundesvorsitzende der Jusos, Jessica Rosenthal, nannte die Entscheidung der USA „endlich ein Licht am Ende des Tunnels“: „Als Lehrerin sehe ich jeden Tag, was für eine Belastung diese Krise gerade für Kinder und Jugendliche ist.“Ziel müsse es sein, dass jeder Schüler ab zwölf Jahren ein Impfangebot in den Sommerferien bekomme.
In NRW kritisierte Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul, die Landesregierung müsse jetzt zeigen, dass sie Kindern und Jugendlichen tatsächlich Priorität einräume und mit der Impfstrategie starte, sobald dies möglich sei. „Kinder und Jugendliche gehören nicht nur zu den
Hauptleidtragenden der Pandemie, sie leiden auch besonders unter der chaotischen Politik der Landesregierung.“Paul forderte, aufsuchende Angebote durch mobile Impfteams jetzt vorzubereiten, damit das Impfen starten könne, sobald der Impfstoff zugelassen und vorhanden sei. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Josef Neumann, verlangte, dass diese Teams nicht nur in den Schulen, sondern dann auch in den Kitas Impfangebote machen müssten. Auch er forderte eine enge Zusammenarbeit mit den Kinderärzten. „Der Erfolg der Impfkampagne hängt jetzt davon ab, dass die Landesregierung mit allen Beteiligten ein schlüssiges und praktikables Impfkonzept für Kinder und Jugendliche umsetzt.“
Kinderärzte-Präsident Fischbach bezweifelte, dass eine Impfung in den Schulen der richtige Weg sei. Die Eltern zögen die Beratung durch ihren langjährigen Kinder- und Jugendarzt vor. „Die Impfungen gehören vornehmlich in die Praxen, und das ist durchaus zu schaffen.“