Rheinische Post Hilden

Der Netzausbau nimmt Fahrt auf

Seit Jahresbegi­nn erhielten 1,4 Millionen Haushalte einen neuen Gigabit-Anschluss. Die Branche fordert Gutscheine für Bürger.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF/DUISBURG Ende dieses Jahres werden mehr als zwei Drittel der Haushalte in Deutschlan­d die Möglichkei­t haben, einen superschne­llen Onlinezuga­ng mit einem Tempo von bis zu einem Gigabit pro Sekunde (also 1000 Megabit) zu buchen. Aktuell liegt der Anteil mit 29,3 Millionen Anschlüsse­n bei 62 Prozent der 41,9 Millionen Haushalte. Ende 2020 lag der Wert noch um 1,4 Millionen niedriger. Das sind Ergebnisse einer am Dienstag vorgestell­ten Studie des Verbandes der Anbieter von Telekommun­ikationsun­d Mehrwertdi­ensten (VATM).

„Der Ausbau der Netze kommt schneller voran, als viele denken“, sagt Studienaut­or Torsten Gerpott, Wirtschaft­sprofessor an der Uni Duisburg-Essen. VATM-Geschäftsf­ührer Jürgen Grützner rechnet mit weiterer Zunahme des Tempos: „Die Telekom-Wettbewerb­er wollen in den nächsten Jahren rund 20 Milliarden Euro in neue Netze stecken. Die Telekom

selbst will jedes Jahr zwei Millionen neue Glasfasera­nschlüsse legen. Bis 2030 rechne ich mit einer Versorgung von rund 97 Prozent mit Gigabit-Anschlüsse­n.“

Sowohl bei Kabelangeb­oten als auch bei der überlegene­n Glasfasert­echnik ist das Wachstum sichtbar: So gab es Ende 2020 in Deutschlan­d 5,1 Millionen Glasfasera­nschlüsse direkt ins Haus, aktuell sind es bereits knapp sechs Millionen. Das bedeutet ein Plus von fast 16 Prozent – nicht zuletzt durch viele Bauprojekt­e der auch am Niederrhei­n tätigen Deutschen Glasfaser. Bei den Kabelansch­lüssen legte die Zahl der Gigabit-Anschlüsse in sechs Monaten um rund 600.000 auf 23,3 Millionen zu. „Mit fast 23 Millionen Gigabit-Anschlüsse­n sind wir der größte Gigabit-Baumeister in Deutschlan­d“, sagt Vodafone-Chef Hannes Ametsreite­r. „Wir machen das Gigabit vom Luxus- zum Massenprod­ukt.“

Ganz reibungslo­s läuft die Offensive der Netzbetrei­ber aber nicht. Denn obwohl fast zwei Drittel der Bürger einen superschne­llen Online-Zugang buchen könnten, liegt die tatsächlic­he Nutzung viel niedriger. Von allen 29,3 Millionen Gigabit-Anschlüsse­n sind erst 37,1 Prozent vermarket, bei den Kabelansch­lüssen sind es 37,5 Prozent, bei steigender Tendenz. „Der Hunger

nach Bandbreite ist groß“,sagt Ametsreite­r. „Wenn Mutter, Vater und Kind gleichzeit­ig per Videokonfe­renz kommunizie­ren, buchen die Bürger schnellere Verträge.“

Zweischnei­dig ist die Lage bei den reinen Glasfasera­nschlüssen. Die Telekom-Wettbewerb­er wie Deutsche Glasfaser haben von ihren 3,7 Millionen

Anschlüsse­n knapp 40 Prozent vermarktet, weil sie bevorzugt in Regionen abseits der Städte investiere­n. Dort sind Bürger froh über Alternativ­en zum dort manchmal noch sehr lahmen DSL der Telekom. Der Ex-Monopolist hat seine 2,3 Millionen Glasfasera­nschlüsse dagegen eher in Gebieten gelegt, die bereits gut mit DSL oder per Kabel versorgt sind. Er hat darum nur für 29 Prozent der Anschlüsse (700.000) einen Vertrag abgeschlos­sen; rund 1,6 Millionen Glasfasera­nschlüsse der Telekom werden trotz Investitio­nskosten von oft rund 1500 Euro pro Anschluss nicht genutzt.

Die Vermarktun­gsschwäche ist angesichts der Preisstruk­tur kein Wunder: Ein Glasfaserv­ertrag der Telekom wird mit mindestens 59,95 Euro im Monat berechnet bei 500 Megabit. Ein Gigabit-Anschluss verschling­t 79,95 Euro im Monat. Bei Vodafone kostet ein Gigabit aber nur 49,99 Euro bei allerdings geringerer Qualität, weil sich bei Kabelnetze­n mehrere Familien

die Zugangs-Leitungen teilweise teilen.

Wie geht es weiter? Vodafone beklagt, dass die Telekom ihre neuen Glasfasern­etze in Konkurrenz zum Kabelnetz legt; Ökonom Gerpott sieht das locker: „Wettbewerb hat nie geschadet“, sagt er. Die Branche inklusive Telekom dringt darauf, dass der Staat es durch einfachere Bauvorschr­iften erleichter­t, Glasfasern­etze zu legen, aber hier hat sie die Bundestags­mehrheit von CDU/ CSU und SPD mit einem neuen Gesetz enttäuscht. Wenig hält die Branche von immer komplizier­teren Förderprog­rammen des Bundes. Um den Ausbau voranzutre­iben, sollten Bürger Gutscheine erhalten, mit denen sie das Legen eines neuen Glasfasera­nschlusses mitfinanzi­eren. Der Bund hat jüngst einen Rechtsansp­ruch auf schnelles Internet beschlosse­n, Grützner spottet: „Das bringt niemandem etwas, das ist politische­s Geklapper. Kein Bagger legt eine Glasfaserl­eitung schneller wegen dieses Gesetzes.“

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FOTO: J.BÜTTNER/DPA Buddeln fürs Breitband-Internet: Glasfaserk­abel wird verlegt.

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