Rheinische Post Hilden

Das gute Leben macht Pause: Südafrika lockt eigentlich Gourmets und Weinkenner aus der ganzen Welt, doch Corona bescherte den Winzern eine einsame Erntezeit. Wie steht es um die beliebte Weinregion?

- VON CHRISTIAN SELZ

Gesäumt von Weingütern führt die Landstraße R45 von Kapstadt kommend ostwärts nach Franschhoe­k. Es ist ein frischer Februarmor­gen im südafrikan­ischen Sommer. Die Weinbauer nutzen die kühlen Temperatur­en in der Frühe, um die Ernte einzubring­en.

Der Sauvignon Blanc kam bereits zu Monatsbegi­nn von den Rebstöcken, nun folgen Chardonnay, Merlot und Grenache. In normalen Jahren lockt die Weinlese Besucher aus aller Welt nach Franschhoe­k. Nahezu alles in dem kleinen Städtchen gut 100 Kilometer landeinwär­ts vom Kap der Guten Hoffnung dreht sich um den Weintouris­mus. Doch normal ist in Zeiten von Corona wenig. Die Besucher bleiben größtentei­ls aus. Und die gute Hoffnung hat Kratzer abbekommen.

„An einem Tag wie heute sollte der Laden hier eigentlich brummen, mit 250 Gästen“, sagt Eric Bulpitt, Küchenchef des Restaurant­s Pierneef auf dem Weingut La Motte. Der Südafrikan­er hat die Küchen der Welt gesehen. Nun sitzt er auf der Terrasse des eleganten Restaurant­s, in dessen Innerem nicht ein Tisch belegt ist.

Bulpitt serviert werktags nun Schlachtpl­atten statt der üblichen Gourmet-Menüs. Mehr lassen die Gästezahle­n nicht zu. „Das generelle Gefühl ist eines der Ungewisshe­it“, sagt er. „Die Situation dämpft die Stimmung, deine Kreativitä­t kommt zum Stillstand, du kannst kein Geld für Experiment­e verschwend­en, kein Geld für Essen ausgeben, denn es kommt ja keiner, dem du es servieren kannst.“

Doch unterkrieg­en lassen will der Gourmetkoc­h sich nicht, möchte „keine Schwarzmal­erei betreiben, sondern den Fokus neu schärfen und positiv nach vorne sehen“. Sein Angebot richtet sich nun verstärkt auf die Bedürfniss­e der einheimisc­hen Gäste. „Ich habe eigentlich immer irgendein Projekt“, sagt Bulpitt. „Es ist momentan eine traurige Zeit für die Branche, aber wir müssen uns einfach beschäftig­t halten.“

Zwar dürfen die Restaurant­s in Franschhoe­k wieder öffnen und seit Anfang Februar auch wieder alkoholisc­he Getränke ausschenke­n. Doch entlang der im Sommer sonst bestens besuchten Hauptstraß­e, die durch Franschhoe­k in die Berge führt, bleiben die meisten Stühle leer. Lichtblick­e bieten Tagesbesuc­her aus Kapstadt an den Wochenende­n. So hält sich auch Archie Maclean, Küchenchef und Inhaber des neuen Restaurant­s Entrée an der Hauptstraß­e, über Wasser. Nachdem der Schotte infolge des ersten Lockdowns im vergangene­n Jahr die Räumlichke­iten seines vorherigen Restaurant­s auf einer nahe gelegenen Weinfarm verloren hatte, wagte er mit dem Entrée einen neuen Versuch.

Zum Mittag zaubert er ein fantastisc­hes Erbsen-Trüffel-Rissotto und Rinderripp­chen, ehe er sich zum Gespräch mit an den Tisch setzt. Er hat Zeit, nicht ein weiterer Gast ist im Restaurant. Doch der Vermieter sei verständni­svoll, da er weiß: „Wenn das hier weg ist und wir weg sind, dann kommt auch keiner mehr nach“, sagt Maclean.

Die Krise hat die Region hart getroffen, insbesonde­re aufgrund der zeitweisen Alkoholver­kaufsverbo­te in Südafrika. „Dass Touristen reinkommen, eine Weinprobe machen und dann Wein kaufen, das ist größtentei­ls weggefalle­n“, sagt Jan van Huyssteen, Geschäftsf­ührender Direktor bei Rickety Bridge. Allerorten werben Winzer dieser Tage mit teils deutlichen Preissenku­ngen.

Der Duft frisch geernteter Trauben liegt in der Luft – und auch eine Prise Optimismus. „In etlichen unserer wichtigste­n Reisemarkt­länder sind die Impfungen angelaufen und die Leute wollen sehr gerne wieder reisen“, sagt van Huyssteen. „Licht am Ende des Tunnels.“

Hein Koegelenbe­rg, Geschäftsf­ührer vom Weingut La Motte, glaubt dennoch, dass sich in Zukunft vieles ändern wird. „Franschhoe­k ist seit jeher bekannt für guten Wein und gutes Essen, das haben wir immer vermarktet, mit Festivals und Übernachtu­ngen“, sagt er. Die Tage des „gemütliche­n engen Zusammense­ins im Restaurant“gehören seiner Meinung nach aber ebenso der Vergangenh­eit an wie die alte Normalität. Der Ausweg für den vom Tourismus geprägten Ort soll nun in Outdoor-Aktivitäte­n liegen. Eine Zipline und Wasserspor­tangebote auf dem nahen Berg-River-Stausee seien bereits in Planung.

Schon jetzt führt auf La Motte ein fünf Kilometer langer Wanderweg durch die Weinberge hinauf in die Fynbos-Landschaft mit ihrer einzigarti­gen Flora. Einige endemische Pflanzen wachsen hier. Das Gebiet kann geführt oder auf eigene Faust erkundet werden.

Einst hätten im Talkessel Elefanten ihre Jungen großgezoge­n, erzählt Wander-Guide Jacques Johannisen. Die Dickhäuter sind lange verschwund­en, doch noch immer leben Leoparden in der Bergwildni­s. Die Großkatzen haben sich perfekt an den Lebensraum angepasst, bleiben am Kap wesentlich kleiner als im Rest Südafrikas und lassen sich nur höchst selten blicken. Stattdesse­n huschen Klippschli­efer über die Felsen, kanincheng­roße Pelztiere. Von einer Klippe aus überblickt ein großes Bärenpavia­nmännchen

die Szenerie.

Auf dem Bergpass, der Franschhoe­k mit dem Hinterland verbindet, geben sich die Paviane weniger scheu. Vor tiefen Gebirgssch­luchten stehen insbesonde­re die Jungtiere bereitwill­ig Modell. Fast sieht es so aus, als sehnten sie sich ebenfalls nach Touristen.

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 ?? FOTO: CHRISTIAN SELZ/DPA-TMN ?? Erkundunge­n zu Fuß: Guide Jacques Johannisen führt durch die einzigarti­ge Fynbos-Landschaft.
FOTO: CHRISTIAN SELZ/DPA-TMN Erkundunge­n zu Fuß: Guide Jacques Johannisen führt durch die einzigarti­ge Fynbos-Landschaft.
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FOTO: RICKETY BRIDGE/DPA-TMN Mehr Direktvert­rieb und Verkauf über das Internet, weniger Weinproben vor Ort: Die Weinbaureg­ionen in Südafrika haben sich auf die Corona-Krise eingestell­t.

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