Rheinische Post Hilden

Warum wir meist die falsche Warteschla­nge wählen

Der Mathematik­er Kit Yates befasst sich in seinem neuen Buch mit kuriosen Geschichte­n vom Spiel der Zahlen.

- VON REGINA HARTLEB

Egal, für welche Reihe man sich entscheide­t – es ist garantiert die falsche. Dieses Gefühl, an der Supermarkt­kasse die langsamste aller möglichen Warteschla­ngen erwischt zu haben, kennt wohl jeder. Und vermutlich haben auch schon viele Menschen einmal die Erfahrung gemacht, was passiert, wenn man eine geöffnete Milchtüte eine Weile ungekühlt herumstehe­n lässt. Was solche und andere Alltagsphä­nomene mit Mathematik zu tun haben, erklärt Kit Yates in seinem neuen Buch. „Warum Mathematik (fast) alles ist und wie sie unser Leben bestimmt“, heißt das Werk, das dem interessie­rten Laien Lust auf Zahlen machen soll. Oder, wohl besser formuliert: die Angst vor Zahlen nehmen soll.

Yates, der selbst in Oxford Mathematik studierte, möchte vor allem eines zeigen: Mathematik steht mitten im Leben. So entschlüss­elt er in diesem Buch auf unterhalts­ame Art und Weise, welche mathematis­chen Geheimniss­e sich hinter ganz alltäglich­en Dingen verbergen. Da geht es oft um ganz praktische Zusammenhä­nge wie die Schneckenv­erteilung im Garten oder das Muster auf Eierschale­n.

Natürlich bleibt Yates stets mathematis­ch korrekt. Komplizier­te Gesetzmäßi­gkeiten erläutert er an ganz anschaulic­hen Beispielen. Exponentie­lles Wachstum etwa – ein Begriff, der gerade während der Pandemie Einzug in die täglichen Nachrichte­n gefunden hat – geht in etwa so: Eines Tages bildet sich eine winzige Algenkolon­ie auf einem See. Tag für Tag verdoppelt die Kolonie ihre Größe. Greift niemand ein, wird an Tag 60 die ganze Seeoberflä­che bedeckt und das Wasser vergiftet sein. Letzte Möglichkei­t noch einzugreif­en wäre, wenn die Algen die Hälfte der Oberfläche bedecken. Dies ist wegen des exponentie­llen Wachstums aber nicht etwa an Tag 30 der Fall, sondern an Tag 59. Dann allerdings bleibt genau nur noch ein Tag Zeit, um den See vor der drohenden Algenpest zu retten.

Verständli­che Alltagsbei­spiele wie diese gibt Yates viele in seinem Buch. So erklärt er Begriffe, die dem Laien nicht selten die Stirn runzeln lassen: Von Algorithme­n („Ameisenalg­orithmus“), Wahrschein­lichkeitsr­echnung

und der sogenannte­n Gottesglei­chung ist die Rede. Von den unendliche­n Möglichkei­ten unserer Zahlensyst­eme. Aber auch von deren Grenzen und Fehlern. „Unsere Biologie spiegelt die konstanten, unveränder­lichen Gesetzte der Mathematik“, davon ist Autor Kit Yates überzeugt. In der Medizin, in der Gesundheit­svorsorge, in der Technik – in nahezu allen Lebensbere­ichen spiele sie eine wesentlich­e Rolle.

Die Lösung, um die perfekte Warteschla­nge im Supermarkt zu finden, wird an dieser Stelle nur ansatzweis­e verraten: Wichtige Stichworte, um sich richtig zu entscheide­n, sind dabei „optimal stopping“und die 37-Prozent-Regel. Einfach mal ausprobier­en.

Info Kit Yates, „Warum Mathematik (fast) alles ist und wie sie unser Leben bestimmt“, Verlag Piper, 352 Seiten, 20 Euro.

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FOTO: M. REUTER An den Kassen bei Ikea, wie hier in Kaarst, geht es unterschie­dlich schnell voran – gefühlt an der eigenen langsamer als an den anderen.

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