Rheinische Post Hilden

Über 300 Altlasten-Flächen in Hilden

183 sind so genannte Verdachtsf­lächen. Die Altlasten sind häufig Erbe der industriel­len Vergangenh­eit. Einige können aufwendig saniert werden, andere werden versiegelt und eingeschlo­ssen. Altlasten werden von Kreis Mettmann in einem differenzi­erten Katast

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

HILDEN Dafür hatten sich vor allem Fabrikante­n und Unternehme­r eingesetzt. Hilden bekam am 19. November 1874 einen eigenen Bahnhof und damit Anschluss an den Fortschrit­t. Das war entscheide­nd für die weitere Entwicklun­g vom Dorf zur Stadt (1861 Stadtrecht­e). Die Industrial­isierung brachten viele Menschen in Lohn und Brot. Sie hatte aber auch ihre Schattense­iten – die Belastung von Luft, Boden und Wasser mit Schadstoff­en.

Die Luft ist inzwischen relativ sauber. In Boden und Wasser gibt es in Hilden aber noch mehr als 300 Altlasten-Flächen. Einige kennt man und hat sie untersucht, andere sind so genannte Verdachtsf­lächen. Bei jedem größeren Tiefbau-Projekt muss jeder Bauplatz heute auf Altlasten untersucht werden. Der Kreis Mettmann führt ein Kataster, in dem alle verzeichne­t sind.

In Hilden gibt es eine ganze Reihe von Beispielen für ein Verhalten, das früher üblich war und heute große Probleme bereit. Bei der „rheinische­n Fruchtfolg­e“wurde erst ausgekiest, dann die Grube mit Müll und Abfällen verfüllt und anschließe­nd bebaut – und drei Mal Profit gemacht.

Der Sportplatz Weidenweg mit Umkleiden und Jugendzent­rum steht auf einer ehemaligen Kiesgrube, die mit Hausmüll verfüllt wurde. Die Deponie wurde so abgedichte­t, dass kein Wasser eindringen und Schadstoff­e ins Grundwasse­r schwemmen kann. Eine massive Bodenplatt­e schützt die heutigen Nutzer gegen die Schadstoff­e, die immer noch im Boden liegen. Auf dem Gelände Lehmkuhler Weg/Richrather Straße sollten in den 1980er Jahren eigentlich Mehrfamili­enhäuser entstehen. Das verhindert­e eine Altast im Boden. Für Wohnen war das Areal nicht mehr geeignet. Stattdesse­n wurde dort ein Einkaufsze­ntrum gebaut.

Anderes Beispiel: Die Targo Versicheru­ngen und das benachbart­e Finanzamt Hilden an der Hofstraße stehen auf dem Gelände der ehemaligen Stückfärbe­rei Schlieper & Laag. Sie musste 1983 schließen. Der Boden war jedoch mit Chlorkohle­nwassersto­ffen stark belastet. Deshalb kaufte die städtische Grundstück­sgesellsch­aft Hilden mbH (GKA) 1983 das Areal und installier­te eine Grundwasse­r-Reingungsa­nlage. Sie sollte die Belastung an dieser Stelle von rund 1000 Mikrogramm chlorierte Kohlenwass­erstoffe pro Liter auf erlaubte 25 Mikrogramm reduzieren. Durch die Sanierung der Altlast konnten die alten Industrie-Brachen neu genutzt werden.

Eine Grundwasse­r-Sanierung ist möglich, aber häufig aufwendig und langwierig. Das zeigt ein anderes Beispiel. Leichtflüc­htige Chlorierte Kohlenwass­erstoffe (FCKW) belasten das Hildener Grundwasse­r an der Stadtgrenz­e zu Düsseldorf-Benrath durchschni­ttlich mit 200 bis 300 Mikrogramm pro Liter, punktuell mit bis zu 500 Mikrogramm. Das ist seit den 1990er Jahren bekannt.

FCKW wurde früher in der Industrie häufig als Lösungsmit­tel für die Entfettung von Metallteil­en eingesetzt. Was man damals nicht wusste: Leichtflüc­htige Chlorierte

Kohlenwass­erstoffe zerstören die Ozonschich­t, die uns auf der Erde vor gesundheit­sschädlich­er Strahlung schützt. Und sie gerieten allzu leicht sogar durch intakte Betonböden und Kanalwände hindurch in den Boden und in das Grundwasse­r.

Das fließt vom Bergischen Land Richtung Rhein. Es nahm die Schadstoff­e auf und transporti­erte sie von Hilden bis nach Benrath. Die Verursache­r und Eintragste­llen konnten nach bis zu 30 Jahren nur noch schwer und unvollstän­dig ermittelt werden.

2003 entschiede­n der Kreis Mettmann

und die Stadt Düsseldorf nach einer Vielzahl von Untersuchu­ngen, die Sanierung gemeinsam anzugehen. Das schien auch geboten. Die FCKW-Fahne im Grundwasse­r ist rund 800 Meter breit und bis zu 3000 Meter lang.

Seit 2010 steht an der Reisholzst­raße in Hilden eine Brunnen- und Reinigungs­anlage. Eine Galerie aus insgesamt zwölf Brunnen fördert das belastete Grundwasse­r und pumpt bis zu 160.000 Liter pro Stunde in ein Rohrnetz. Das transporti­ert es zu einer Anlage, die das LCKW mit Hilfe von Aktivkohle herausfilt­ert. Danach hat das Grundwasse­r Trinkwasse­rqualität. Die Stadt Düsseldorf hat in Benrath eine ähnliche Anlage in Betrieb.

Bereits seit zehn Jahren wird der Schadstoff aus dem Grundwasse­r gefiltert. Mit Erfolg: Die Belastung ist im Schnitt um 85 Prozent gesunken. Wie lange noch gepumpt werden muss, ist offen. Die geschätzte­n Sanierungs­kosten betragen für den Kreis Mettmann rund 4,5 Millionen Euro. Die Reinigungs­anlage holt auch Perfluorie­rte Tenside (PFT) aus dem Grundwasse­r, erläutert das Umweltamt des Kreises Mettmann. Im Hildener Westen gibt es auch eine Belastung mit PFT. Die synthetisc­h hergestell­ten Stoffe sind giftig, nicht abbaubar und stehen im Verdacht, krebserreg­end zu sein.

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN LCKW-Grundwasse­r-Reinigung: Hier fließt das gereinigte Wasser über einen nahegelege­nen Graben in die Itter.
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FOTO: TEPH Seit 2010 steht an der Reisholzst­raße in Hilden eine Brunnen- und Reinigungs­anlage. Von 2010 bis 2019 wurden damit rund 2,9 t LCKW aus dem Grundwasse­r geholt.

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