Einfach Papa sein? Von wegen!
Bratwurst, Bier und Bollerwagen – das Klischee zum Vatertag hat ausgedient. Warum moderne Familienmodelle trotzdem nicht überhöht werden sollten, erklärt einer, der gerade Hausmann ist und Väter vernetzt.
Das Dilemma junger Eltern beschreibt Heiner Fischer gern so: „Sie gehen als gleichberechtigtes Paar in den Kreißsaal rein und kommen als 50er-Jahre-Paar wieder raus.“Neben all den Familienmodellen, die heutzutage möglich seien, laufe es in vielen Fällen noch immer auf die traditionelle Konstellation hinaus: Die Frau übernimmt die Elternzeit, die Kinderbetreuung, die Erziehung, im Prinzip den größten Anteil an allem, was heute „Care-Arbeit“heißt – und der Mann verdient das Geld.
Zum Vatertag wird dieses Rollenbild besonders bemüht: der Mann am Grill, beim Biertrinken, die „Männer-Burger-Box“als Vatertagsspezial – die Aktionen sind so einfältig wie die Pralinenschachtel zum Muttertag. Genau das stört Heiner Fischer aus Krefeld: „Vaterschaft ist mehr“ist sein Credo, das er zu einer Kampagne gemacht hat. Fischer ist zweifacher Vater, Sozialarbeiter in Elternzeit, Hausmann, Ehemann, Blogger und Gründer der Gruppe „Papas in Krefeld“. Er warb im WDR für seine Ideen, hat einen Podcast, verteilt Flyer auf Spielplätzen, hält Vorträge und gibt Seminare zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Männer, die benachteiligte Spezies? Auch wenn es so klingen mag – Vätern wie Fischer geht es genau um das Gegenteil: nicht gefeiert zu werden für etwas, was Frauen immer schon getan haben. Sich um die Kinder kümmern, die Karriere zurückstellen, den Haushalt managen. Die Vielfalt von Familienmodellen zu leben und zu schätzen. Und tatsächlich ist es an der Zeit, Frauen nicht länger als Rabenmütter zu sehen, nur weil sie kurze Zeit nach der Geburt wieder arbeiten gehen, und Männer nicht zu überhöhen, weil sie stattdessen die Elternzeit übernehmen.
Das so zu handhaben, ist nach wie vor ein Privileg, die Gründe dafür wurden oft beschrieben: Männer verdienen in Deutschland im Schnitt besser als Frauen. Männer arbeiten zudem häufiger in Führungspositionen, die sich aus Sicht vieler Arbeitgeber nicht mit Elternzeit oder Teilzeit vereinbaren lassen. In vielen Betrieben sind zwei Monate Väterzeit, die der CSU-Politiker Peter Ramsauer 2006 noch als „Wickelvolontariat“verspottete, das Höchste der Gefühle.
Weil Heiner Fischer beim ersten Kind sieben Monate Vaterzeit verweigert wurden, wechselte er sogar den Arbeitgeber. Mit dem zweiten Kind blieb er dann ganz zu Hause; seine Frau, Logopädin, arbeitet in Teilzeit. Die gleichberechtigte Aufteilung ist ihr Idealbild, die Verdienstfrage für sie zweitrangig. Mit 35 Männern ist Fischer im Austausch, seit er „Papas in Krefeld“im September 2020 gegründet hat – die explizit keine Selbsthilfegruppe sein sollen in akuten Fällen von Scheidungsproblemen oder Gewalt. „Wir tauschen uns aus, wie Mütter sich austauschen, über alle möglichen Erziehungsfragen“, sagt der 37-Jährige.
Dass immer mehr Väter zumindest für einen befristeten Zeitraum aus dem Job ausscheiden, zeigt der „Väterreport 2018“: Nahm 2008 nur jeder Fünfte Vaterzeit, war es 2015 schon jeder Dritte. Gut die Hälfte entscheidet sich heute für die Mindestbezugszeit von zwei Monaten, jeder Fünfte nimmt drei bis neun Monate, jeder Zehnte 14 Vatermonate. Soziologen werten das als Erfolg, auch wenn die hohen Anteile eher auf Gebiete mit Hightech- und vergleichbaren Unternehmen mit hohem Bedarf an hochqualifiziertem Personal zutreffen.
„Obwohl sich das Engagement von Vätern für ihre Kinder seit Jahrzehnten gesteigert hat und dies, so wie es wirkt, weiterhin tut, liegt es hinter dem von Müttern nach wie vor zurück und erfüllt
Heiner Fischer über junge Eltern im Kreißsaal längst nicht alle Erwartungen“, sagt Andreas Eickhorst, Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Hannover. Der Experte für Familienpsychologie und Väterforschung spricht von einem generellen Problem, das Männer inzwischen genauso betreffe wie Frauen: Wie bringt Mann Karriere und Kinder unter einen Hut, ohne das eine oder andere zu vernachlässigen? Wie kann Mann die Frau in ihren Zielen unterstützen, ohne die eigenen aufzugeben? Sind Männer überhaupt die besseren Mütter?
„Einfach Papa sein“ist heute kompliziert. „Sie bringen die Kinder natürlich nicht selber zur Welt und können auch nicht mit der Brust stillen – das sind aber auch schon die einzigen Einschränkungen“, betont Eickhorst. „Biologisch gesehen haben Väter die gleichen Kompetenzen wie Mütter, was den Umgang mit Kindern jeglichen Alters betrifft.“Das umfasse die emotionale Bindung genauso wie Pflegen, Füttern, Trösten und jede Art von Zuwendung.
Zwischen all den teils widersprüchlichen Erwartungen an den modernen Vater innerhalb der eigenen Partnerschaft, des sozialen Umfeldes und der Gesellschaft als solcher fällt – ebenso wie bei Müttern – dann aber vielleicht eines hintenüber: die Selbstfürsorge. Die im Laufe der Jahrhunderte etablierten kulturellen, politischen und medialen Bilder vom Vater als strengem Erzieher, alleinigem Ernährer und moralischem Oberhaupt helfen genauso wenig wie die Vorstellung des hauptberuflichen Hausmanns, der seine Frau großzügig Karriere machen lässt.
Elternwerden und Elternsein bleibt eine individuelle Entscheidung zweier Menschen. Vater oder Mutter zu sein, bedarf emotionaler Offenheit und der Bereitschaft zu investieren – Geld, Zeit, ein verändertes Arbeitsumfeld. Wenn er im September in seinen Teilzeitjob im Krankenhaus zurückkehrt, wird Heiner Fischer zweieinhalb Jahre in Elternzeit gewesen sein. Ein Job, in dem das nur mit Problemen oder gar nicht ginge, kommt für ihn nicht mehr infrage.
„Sie gehen gleichberechtigt rein und kommen als 50er-Jahre-Paar raus“