Rheinische Post Hilden

„Mütter brauchen mehr Hilfe auf der Tour“

Die Tennisspie­lerin spricht darüber, wie es ihr als Mutter im Profisport ergeht und kritisiert vor den French Open die Verbände.

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TATJANA MARIA

PARIS Mutter sein und Profisport? Das war lange ein Tabuthema. Tatjana Maria war es immer egal. Die zweifache Mutter, Tochter Charlotte wurde 2013 geboren, Cecilia 2021, schrieb kürzlich mit ihrem zweiten WTA-Turniersie­g Geschichte.

Frau Maria, vor einigen Wochen haben Sie in Bogota als erste Mutter den zweiten Sieg auf der WTATour gefeiert. Hat sich durch diesen Erfolg etwas geändert?

MARIA Zu Hause ist alles beim Alten. Mit zwei Kindern ändert sich am Tagesrhyth­mus nichts (lacht). Ich bekomme aber mehr Aufmerksam­keit im Sport. Wenn ich zu Turnieren fahre, gratuliere­n viele Sportlerin­nen und Sportler und die Interviewa­nfragen haben auch zugenommen. Es hat aber lange gedauert, bis ich selbst realisiert habe, was es für den Tennis-Sport und mich bedeutet.

Hat sich die Frauen-Profi-Organisati­on WTA bei Ihnen gemeldet? Sie hatten im Nachgang des Turniersie­ges kritisiert, dass Schwangere und Mütter es auf der Tour nicht leicht haben.

MARIA Bei der WTA hat sich noch nichts getan und ich fürchte, dass auch noch Zeit verstreich­en wird. Wir Spielerinn­en haben es aber selbst in der Hand. Kürzlich gewann Taylor Townsend nach ihrer Schwangers­chaft im vergangene­n Jahr ein Turnier. Es kommt also immer häufiger vor, dass Mütter auf der Tour Pokale gewinnen. Deshalb muss zwingend eine Regel her, dass Schwangere nicht als verletzt gelten. Das ist ja absurd. Es geht aber nicht nur um die WTA – auch der deutsche Tennis-Bund hat nicht viel für mich getan. Da hätte ich mir etwas mehr Unterstütz­ung gewünscht.

Viele Sportlerin­nen warten mit dem Kinderwuns­ch bis nach der Karriere, um diese nicht zu gefährden. Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit sich Sportlerin­nen nicht entscheide­n müssen?

MARIA Wir brauchen generell mehr

Hilfe. Als Mütter könnten wir aktuell gar nicht alleine über die Tour reisen. Bei den meisten Turnieren gibt es keine Kinderbetr­euung, man kann sein Kind nirgendwo lassen. Bei den Grand-Slam-Turnieren ist das anders – davon gibt es aber nur vier im Jahr. Nicht mal bei den nächstgröß­eren Turnieren gibt es regelmäßig solche Möglichkei­ten. Dabei ist es für die Kinder schön. Bei den Grand-Slam-Turnieren spielen alle miteinande­r – ob die von Roger Federer oder mir.

War Ihnen immer klar, wie schwierig der Weg zurück sein kann? MARIA Für mich war immer klar, dass ich wieder zurückkomm­en und auf der Tour spielen werde. Deshalb stand es vor beiden Schwangers­chaften gar nicht zur Debatte, ob ich weitermach­en würde. Wir wollten als Familie um die Welt reisen und Turniere spielen. Ich gebe zu, dass wir die perfekte Konstellat­ion haben, weil mein Mann zeitgleich

mein Trainer ist und auch Charlotte, meine ältere Tochter, Tennis spielt.

Können Sie einfach so den Schalter zwischen Muttersein und Tennisprof­i umlegen?

MARIA Am Anfang war das schon etwas komisch. Aber ich weiß, dass mein Mann weiß, wie er mit den Kindern umgehen muss. Wenn ich auf den Tennisplat­z gehe, kann ich mich zu 100 Prozent auf das Spiel konzentrie­ren.

Was hat sich durch die beiden Kinder auf der Tour für Sie verändert? MARIA Es ist alles einfacher geworden (lacht). Mir macht das Reisen viel mehr Spaß. Früher hatte man so viel Zeit bei den Turnieren, mit der man so richtig nichts anfangen kann. Jetzt kümmere ich mich um meine Kinder und es ist super schön zu sehen, wie Charlotte von den vielen neuen Orten begeistert ist.

Wie sieht dann der Alltag bei Ihnen aus?

MARIA Mein Mann und ich sind entspannt unterwegs. Es ist wirklich einfach, weil ich mit Charlotte morgens zwei Stunden zusammen auf der Anlage trainiere und dann machen wir zusammen etwas für die Schule. Ich unterricht­e sie selbst. Cecilia halten wir immer so lange wach, bis ich mein Match habe, damit sie währenddes­sen schläft (lacht). Zudem kommt die Mutter meines Mannes häufig mit uns mit.

Sie trainieren mit Ihrer Tochter zusammen?

MARIA Ja! Sie hat das Talent von mir und meinem Mann geerbt (lacht). Sie spielt sehr gern Tennis und ich will da ein gutes Vorbild für sie sein. Wir spielen uns von der Grundlinie zusammen ein und danach machen wir Korbübunge­n zusammen. Das ist komplett normal – wir sind richtige Trainingsp­artnerinne­n. Ich brauche keinen Hit-Partner mehr. Auf Turnieren sage ich schon immer, dass auch andere mit Charlotte spielen können (lacht). Das machen die gern.

Wenn man so viel unterwegs ist wie Sie – gibt es für Sie und Ihre Kinder dann überhaupt eine richtige Heimat?

MARIA Ich komme immer gern nach Deutschlan­d. Ich bin Deutsche und bin immer glücklich, wenn ich wieder da bin. Aber ich fühle mich super wohl in den USA und wir werden sicher hierbleibe­n. Mit der Reiserei hat Charlotte Gott sei Dank auch kein Problem. Für sie ist das ganz normal, dass sie bei dem einen Turnier die Kinder sieht und bei dem anderen Turnier wieder andere. Sie hat inzwischen auch Freunde gefunden und neue Orte fasziniere­n sie sowieso. Wir sind einfach auf der großen Welt zu Hause.

Nun geht es nach Paris zu den French Open, Sie sind im Hauptfeld, haben in Bogota ein Sandplatz-Turnier gewonnen. Mit welchen Erwartunge­n fahren Sie dorthin?

MARIA Es ist abgedrosch­en: aber ich versuche das umzusetzen, was ich im Training erarbeite. Das funktionie­rt an manchen Tagen besser als an anderen. Aber das Turnier in Bogota hat gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. In Roland Garros will ich das Turnier einfach genießen und Rhythmus reinbekomm­en. Ich muss mich gut fühlen und fit sein. Dann sehen wir weiter.

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FOTO: THOMAS REINIER/DPA Jubelt wieder regelmäßig über Siege: Tatjana Maria kämpfte sich nach ihren beiden Schwangers­chaften wieder zurück, obwohl der Weltverban­d es Müttern wie ihr nicht leicht macht.

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