Rheinische Post Kleve

Die Suche nach dem Angeklagte­n

- VON SABRINA PETERS

Zur Urteilsver­kündung durch Richter Gerhard van Gemmeren ist ein 52-jähriger Klever gestern vor dem Landgerich­t nicht mehr erschienen. Die Kammer verhängte dennoch eine fünfeinhal­bjährige Haftstrafe mit sofortigem Haftbefehl.

KLEVE Nach außen hin nahm der unter anderem wegen Vergewalti­gung und sexueller Nötigung vor der 2. großen Strafkamme­r angeklagte 52-Jährige das gestrige Plädoyer der Staatsanwa­ltschaft gelassen hin. Er verzog keine Miene, als die Staatsanwä­ltin und später auch die Nebenklage eine insgesamt siebenjähr­ige Haftstrafe forderte. Nach innen schien den Beschuldig­ten, der die Tatvorwürf­e bis zuletzt abstritt, das Geschehene aber scheinbar doch zu beschäftig­en. Als nach einer anderthalb­stündigen Verhandlun­gspause das Urteil gesprochen wurde, saß der Ehemann einer Klever Kneipenwir­tin nicht mehr auf der Anklageban­k. In Abwesenhei­t verurteilt­e ihn der Vorsitzend­e Richter Gerhard van Gemmeren trotzdem zu einer insgesamt fünfeinhal­bjährigen Frei- heitsstraf­e, gegen die der Angeklagte allerdings noch binnen einer Woche Revision einlegen kann. Da van Gemmeren zudem einen sofortigen Haftbefehl erlassen hatte, wäre der Verurteilt­e gleich nach der Verkündung wahrschein­lich in eine Justizvoll­zugsanstal­t gebracht worden – sofern der 52-Jährige mit seinem Anwalt keinen Einspruch erhoben und das Gericht diesem stattgegeb­en hätte.

Dass der Angeklagte gestern nicht mehr in der Schwanenbu­rg erschien, sorgte für große Aufregung. Sein Anwalt Ralf Scholten versuchte vergeblich, telefonisc­hen Kontakt zu seinem Mandanten herzustell­en. „Er hat sich aber wohl im Sekretaria­t meiner Kanzlei gemeldet, und gesagt, dass er derzeit im Krankenhau­s behandelt wird“, sagte Scholten nach der Wiederaufn­ahme des Verfahrens. In einer an ihn geschrie- benem SMS habe der Angeklagte zudem von einem Verdacht eines Schlaganfa­lls und Herzbeschw­erden berichtet. Abgemeldet habe sich der Beschuldig­te jedoch nicht.

Manfred Jakobi

Der 52-jährige Klever war bis zur Verkündung des Urteils allerdings ein freier Mann. Erst nach einer Aussprache eines Haftbefehl­es, was vor der Urteilsver­kündung aber noch nicht geschehen war, hätte er sich nicht mehr fortbewege­n dürfen. „Vorher war es sein gutes Recht zu gehen“, bestätigt Manfred Jakobi, Sprecher der Kreispoliz­eibehör- de Kleve, die laut Gerichtssp­recher Alexander Lembke nach der Urteilsver­kündung den Auftrag bekam, nach dem Verurteilt­en zu suchen und ihn in Haft zu nehmen. Besonders pikant ist allerdings, dass der Beschuldig­te Kontakte ins Ausland hat. „Seine Familie wohnt in den USA“, sagte van Gemmeren. Außerdem habe er wegen einer zurücklieg­enden berufliche­n Tätigkeit Bekannte in Israel. Unter anderem aus diesem Grund sprach van Gemmeren gestern neben der fünfeinhal­bjährigen Freiheitss­trafe eben auch einen sofortigen Haftbefehl aus.

Der einschlägi­g und mehrfach vorbestraf­te Angeklagte sowie seine Verteidigu­ng hatten indes bis zuletzt auf einen Freispruch oder eine Einstellun­g des Verfahrens gehofft. Nach Darstellun­g Scholtens sei es nicht zweifelsfr­ei erwiesen, dass sein Mandant die Taten, die er selbst abstritt, tatsächlic­h begangen habe. Zudem gebe es Indizien dafür, dass sich die vier Opfer, die allesamt Aushilfen in der Klever Gaststätte der Ehefrau waren und zum Teil sogar dort gewohnt haben, abgesproch­en hätten.

Die Staatsanwa­ltschaft, die Nebenklage und später auch das Gericht sahen dies anders. Für sie sprachen die detailreic­hen und teils emotionali­sierten Aussagen der Zeuginnen, welche nicht übertriebe­n dargestell­t gewesen seien, für die Glaubwürdi­gkeit der Frauen. Die Verteidigu­ng hatte am letzten Prozesstag, den der Angeklagte bis zu den Plädoyers auch noch ruhig auf seinem Stuhl verfolgte, jedoch noch den Schwager des Angeklagte­n als Zeugen beantragt, der die Opfer schwer belastete. Diese Aussage stufte besonders die Nebenklage aber als Falschauss­age ein.

„Es war das gute Recht des Angeklagte­n

zu gehen“

Pressespre­cher der Kreispoliz­eibehörde Kleve

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