Gefangenen-Lager am Niederrhein
Rüdiger Gollnick begab sich auf Spurensuche am Niederrhein und schreibt die Geschichte der Lager für Zwangsarbeiter, „Displaced Persons“und der Rheinwiesenlager für deutsche Soldaten. Band im Gocher Pagina-Verlag erschienen.
NIEDERRHEIN Friedrich Kämper saß im Mai 1945 unmittelbar nach Kriegsende im Gefangenen-Lager Rheinberg fest. Die Soldaten hausten in Erdlöchern, das Lager war umzäunt und wurde von Alliierten schwer bewacht. „Die Kameraden sind zum Teil zu Höhlenbewohnern geworden, haben sich eingegraben
„Wir haben zweieinhalb Jahre in Archiven und Museen recherchiert“
Rüdiger Gollnick
Buchautor
wie Dachse“, schildert der in Norddeutschland gefangen genommene Landser seinen Aufenthalt. Er hatte nur einen Gedanken: Flucht. Zurück nach Hause, nach Lübbecke.
Tatsächlich gelang es ihm zusammen mit seinem Kameraden Kurt, den Zaun zu durchschneiden und unentdeckt zu entkommen. Die Zivilbevölkerung hilft den beiden Flüchtigen, es gibt Verpflegung und Tipps. Wie man über den Rhein kommen kann. Die beiden schaffen den Flussübergang schwimmend mit einem Floß. Doch in Wertherbruch ist die Flucht zu Ende. Die Briten nehmen die beiden fest. Sie werden wieder zurücktransportiert, kommen nach Weeze und von dort in ein belgisches Gefangenlager. Im August wird Kämper entlassen.
Seine Geschichte schlummerte lange im Stadtarchiv Rheinberg. Dort hat sie Dr. Rüdiger Gollnick für sein neuestes, beim Gocher PaginaVerlag herausgegebenes Buch auf- gestöbert. Der Bocholter rekonstruiert in dem 200 Seiten starken Paperback „Fremd im Feindesland – Fremd im Heimatland“die über den Niederrhein verstreuten Gefangenlager: die der Zwangsarbeiter, die unter erbärmlichen Bedingungen mehr vegetieren als leben durften und zu Arbeiten in niederrheinische Werke und auf die Höfe abkommandiert wurden, er zeigt die Lager für die befreiten Menschen, die oft als „Displaced Persons“(DP) irgendwie wieder zurück nach Hause mussten. Und nicht zuletzt beschreibt er die Situation in den Lagern der gefangenen Wehrmachtssoldaten.
„Wir haben zweieinhalb Jahre in Archiven und Museen in Deutschland und England recherchiert“, sagt Gollnick. Es ist ein ungemein detailreicher Zahlenapparat, den er zusammengetragen hat. Er listet die Zahlen der Gefangenen, die zur Arbeit herangezogen wurden, schildert, wie furchtbar russische Gefangene behandelt wurden, welche Firmen wie viele dieser Menschen in ihren Hallen schuften ließen.
Das Buch ist reich an Tabellen, an Reprints historischer Dokumente, vielen Fotos und Zeichnungen aus den Lagern. Es sind aber vor allem die persönlichen Berichte individueller Schicksale, die das historische Bild abrunden und ein vielfach unbeachtetes Kapitel niederrheinischer Geschichte beleuchten. R. Gollnick. „Fremd in Feindesland – Fremd im Heimatland. Spurensuche am Niederrhein“. Pagina-Verlag. 19,80 Euro ISBN 978-3-946509-11-0