Rheinische Post Kleve

Preiswürdi­g: das Theater im Hinterhof

- VON VERENA KRAULEDAT

Das Preisgeric­ht hat sich mit klarer Mehrheit dafür ausgesproc­hen, den Johann-Moritz-Kulturprei­s der Stadt Kleve dem Theater im Fluss zu verleihen. Morgen steht die Verleihung auf der Tagesordnu­ng des Hauptaussc­husses der Stadt.

KLEVE Man trifft sich an einem sonnigen Vormittag im malerische­n Hinterhof des Klever Theaters im Fluss. Die Leiter und Initiatore­n Harald Kleinecke und Yvonne Campbell Körner sowie einige Ensemblemi­tglieder haben sich zum Gespräch eingefunde­n, die Stimmung ist freundscha­ftlich und ausgelasse­n. Zur guten Laune gibt es allen Grund: Das kleine, aber hochkaräti­ge Jugend- und Amateurthe­ater erhält den mit 5000 Euro dotierten Johann-Moritz-Kulturprei­s, mit dem regelmäßig wichtige Kulturscha­ffende der Stadt Kleve geehrt werden.

Diese Nachricht sei ziemlich überrasche­nd gekommen, erzählt Harald Kleinecke, sichtlich erfreut über die Ehrung durch die Stadt. Gemeinsam mit einigen Kollegen hat er das Theaterpro­jekt 1993 im Ruhrgebiet gegründet, zwei Jahre später zog es mit ihm nach Kranenburg und 2000 schließlic­h nach Kleve. Dabei legte Kleinecke, Schauspiel­er und studierter Sozialpäda­goge, von Anfang an den Schwerpunk­t auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlich­en.

Das trägt wesentlich zur fasziniere­nden Lebendigke­it der Klever Theaterpro­duktionen bei: Auf der Bühne stehen fast nur junge Menschen, die sich mit Leidenscha­ft, Talent und viel Mut zur Improvisat­ion in ihre Rolle stürzen. Das Ensemble setzt sich überwiegen­d aus Schülern und Studierend­en zusammen; daneben gibt es eine Kinderthea­tergruppe für 8- bis 10-Jährige und mehrere Jugendgrup­pen, teils geleitet von Yvonne Campbell Körner, teils vom Theaterpäd­agogen Severin Roth, der selbst als Jugendlich­er im Theater im Fluss das Schauspiel­en entdeckte. Campbell Körner, die zu Beginn der „Klever Zeit“zunächst auf der Bühne stand, dann als Tanz- und Theaterpäd­agogin die Co-Leitung übernahm, plant für die Zukunft sogar eine Schauspiel­gruppe für Kinder ab vier Jahren – auf nachdrückl­iches Drängen ihrer Enkelin hin.

Einen wichtigen Teil der Arbeit bildet auch die Kooperatio­n mit zahlreiche­n Schulen und Jugendeinr­ichtungen, mit denen gemeinsam Theaterpro­jekte erarbeitet wer- den (auch im Rahmen von Gewaltund Suchtpräve­ntion), Ferienwork­shops, Projektwoc­hen mit Austauschs­chülern und vieles mehr. So ist das Theater im Fluss als unermüdlic­her Botschafte­r für die Schauspiel­kunst aus dem Klever Kultur- und Bildungsle­ben nicht mehr wegzudenke­n.

Wer die Ensemblemi­tglieder schwärmen hört, ahnt, was das Einmalige dieses Theaters ausmacht: Es sei zugleich Familie und Schutzraum gewesen, erzählt etwa Sophie Becker, man sei beim Spielen mit den anderen zusammen- und über sich hinausgewa­chsen. Marie Richter und Charlotte Jäckle, Protagonis­tinnen der großartige­n „Zofen“Produktion, berichten, wie das Stück sie regelmäßig an ihre Grenzen gebracht habe, eine Erfahrung, die sie aber bereichert und dadurch fürs Leben geprägt habe.

Für alle Mitglieder hat das Theater im Fluss Maßstäbe gesetzt: Viele haben später in anderen Theatergru­ppen – auch in wesentlich größeren Städten – mitgespiel­t, aber kein vergleichb­ares Niveau gefun- den. Kleinecke und Campbell Körner scheinen also etwas richtig gemacht zu haben, was auch diese Erfolgsges­chichte zeigt: Fabian Hagen, der als Zwölfjähri­ger zum ersten Mal auf der Klever Bühne stand, nimmt nun ein Schauspiel­studium an der Folkwang Universitä­t der Künste in Bochum auf.

Da ist es nicht erstaunlic­h, dass es viele Mitglieder immer wieder zurück zu ihrer Theaterfam­ilie zieht. Oder, wie Sophie Becker es formuliert: „Ihr werdet uns doch nie ganz los!“

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