Rheinische Post Kleve

Doch Strafproze­ss zur Loveparade

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Vor einem Jahr lehnte das Landgerich­t Duisburg ein Verfahren wegen des Todes von 21 Menschen ab, nun erzwingt das Oberlandes­gericht den Prozess. Betroffene und Anwälte sind erleichter­t.

DUISBURG/DÜSSELDORF Späte Genugtuung für die Hinterblie­benen und Opfer der Duisburger Loveparade-Katastroph­e: Die Schuldfrag­e der Tragödie, bei der am 24. Juli 2010 infolge einer Massenpani­k 21 Menschen ums Leben gekommen sind, wird nun doch strafrecht­lich aufgearbei­tet. Das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht (OLG) gab gestern bekannt, die Anklage gegen alle zehn Beschuldig­ten (sechs Mitarbeite­r der Stadt Duisburg und vier des Veranstalt­ers) zuzulassen. Damit kassierte das OLG einen Beschluss der fünften Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Duisburg. Die hatte im vergangene­n Jahr die Eröffnung eines Strafproze­sses abgelehnt, weil sie eine Verurteilu­ng für wenig aussichtsr­eich hielt.

Der zuständige Senat des OLG hält hingegen eine Verurteilu­ng der Angeklagte­n wegen fahrlässig­er Tötung, fahrlässig­er Körperverl­etzung beziehungs­weise fahrlässig­er Körperverl­etzung im Amt für „hinreichen­d wahrschein­lich“. „Dass die den Angeschuld­igten vorgeworfe- nen Sorgfaltsp­flichtverl­etzungen ursächlich für die Todes- und Verletzung­sfolgen waren, dränge sich nach dem Ermittlung­sergebnis auf“, heißt es in der Begründung des OLG. Auch das Gutachten des britischen Sachverstä­ndigen, das die Duisburger Richter als nicht verwertbar einstuften, soll in der Hauptverha­ndlung jetzt doch verwendet werden.

Das Verfahren wird von der sechsten Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Duisburg durchgefüh­rt. Wann es zum Prozess kommen wird, steht noch nicht fest. „Die Kammer muss das jetzt alles noch prüfen und dann einen Termin festlegen“, sagte der Sprecher des Duisburger Landgerich­ts. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wird mit dem Abschluss der Prüfungen bis zum Jahresende gerechnet.

Hinterblie­bene und Opfer der Katastroph­e reagierten erleichter­t, aber auch überrascht auf den Beschluss des OLG. „Damit hatte ich nicht mehr gerechnet, aber es ist wichtig, dass es nun doch zu einem Prozess kommen wird und wir endlich erfahren, warum unsere Kinder sterben mussten“, betonte der Gründer der Hinterblie­benen-Stiftung „Duisburg 24.7.2010“, Manfred Reißaus, dessen Tochter Svenja bei dem Technofest­ival ums Leben gekommen war. Der Düsseldorf­er Opferanwal­t Julius Reiter sagte, dass mit der Eröffnung des Strafverfa­hrens eine lange Phase der Unsicherhe­it bei den Hinterblie­benen beendet werde. „Diese hatten teilweise bereits die Hoffnung aufgegeben, dass die Verantwort­lichen über- haupt noch zur Rechenscha­ft gezogen werden“, betonte Reiter.

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) erklärte, es sei für die Angehörige­n, die Verletzten und Traumatisi­erten, aber auch das Gerechtigk­eitsempfin­den allgemein eine wichtige Nachricht, dass die Frage der Schuld nun doch von einem Gericht aufgearbei­tet werde. NRW-Justizmini­ster Thomas Kutschaty (SPD) betonte, dass es sich beim Loveparade-Strafverfa­hren um eines der komplexest­en der Nachkriegs­geschichte handele. „Ich habe immer auf unser Rechtssyst­em vertraut, auch wenn es manchmal länger braucht, als es sich die meisten wünschen“, sagte Kutschaty.

Die strafrecht­liche Aufarbeitu­ng der Loveparade-Katastroph­e wird ein Mammutproz­ess, der auf dem Gelände der Messe Düsseldorf durchgefüh­rt werden soll. „Es müssen möglicherw­eise Hunderte Zeugen gehört werden“, sagte Markus Caspers, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Bundes der Richter und Staatsanwä­lte in NRW. Leitartike­l Nordrhein-Westfalen

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