Rheinische Post Kleve

Mieten steigen trotz Preisbrems­e

- VON BIRGIT MARSCHALL

Nach einer neuen IW-Studie nahmen die Wohnungsmi­eten in vielen Großstädte­n nach dem Start der Mietpreisb­remse Mitte 2015 sogar stärker zu als vorher. Dies dürfe aber nicht zur Verschärfu­ng des wirkungslo­sen Instrument­s führen.

BERLIN Die Wohnungsmi­eten in deutschen Großstädte­n sind nach der Einführung der Mietpreisb­remse Mitte 2015 in der Regel schneller gestiegen als zuvor. Das geht aus einer unveröffen­tlichten Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Am Beispiel Berlins weist das IW nach, dass der Anteil der in Inseraten zur Neuvermiet­ung angebotene­n Wohnungen, deren Miete um mindestens zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete lag, im Jahr 2016 nach Einführung der Mietpreisb­remse durchschni­ttlich 62,3 Prozent betrug. Dieser Anteil war damit um einen Prozentpun­kt höher als vor dem Start der Mietpreisb­remse im Jahr 2014. Sie habe sich aber nicht nur in Berlin als weitgehend wirkungslo­s erwiesen, so das IW in seiner Studie.

Eine sehr hohe Nachfrage und ein zu geringes Wohnungsan­gebot haben die Mietpreise in vielen Groß- städten stark anziehen lassen. Allein in der Hauptstadt nahmen die Preise zwischen 2005 und 2015 um durchschni­ttlich 40 Prozent zu.

Der Gesetzgebe­r reagierte mit der Mietpreisb­remse, die Mitte 2015 in mehr als 300 Städten und Gemeinden eingeführt wurde. Bei Neuoder Weiterverm­ietungen sollen demnach die Mieten nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen. Ausgenomme­n von der Regel sind Neubauten sowie umfangreic­he Modernisie­rungen. Zudem muss der Vermieter seine Mietforder­ung auch nicht wieder reduzieren, wenn die ortsüblich­e Vergleichs­miete für seine Wohnung bereits vor Inkrafttre­ten der Mietpreisb­remse um zehn Prozent überschrit­ten worden war.

Grundlage der IW-Untersuchu­ng sind sämtliche Wohnungsin­serate auf der Online-Plattform Immobilien­scout24 im Zeitraum 2014 bis 2016. Anhand dieser Daten können die IW-Forscher Aussagen darüber treffen, wie sich die Mieten vor und nach dem Start der Mietpreisb­remse am 1. Juli 2015 entwickelt haben.

Vor allem in den einfachen und preiswerte­ren Berliner Wohnlagen kann das Institut einen deutlichen Preisansti­eg nach Einführung des Instrument­s nachweisen: Betrug der Anteil der Wohnungen mit Mieten, die zehn Prozent über der Vergleichs­miete lagen, im Jahr 2014 noch gut 40 Prozent, war er im zweiten Halbjahr 2016 bereits auf 70,5 Prozent gestiegen. Auch in den guten Berliner Wohnlagen sei „die Preisübers­chreitung eher die Regel als die Ausnahme“, so das Institut. Hier erhöhte sich der Anteil der für die Mietpreisb­remse relevanten Wohnungen von gut 70 Prozent 2014 auf 75,4 Prozent im zweiten Halbjahr 2016. Rund drei Viertel aller Neuvermiet­ungen in Berlin liegen demnach um mindestens zehn Prozent über der Vergleichs­miete.

„Viele Mieter unterschre­iben einen Mietvertra­g in dem Wissen, dass er vermutlich nicht rechtskonf­orm ist. Sie scheuen aber die recht- liche Auseinande­rsetzung mit dem Vermieter, weil sie auf die Wohnung angewiesen sind“, erklärte Studienaut­or Philipp Deschemeie­r. „Unsere Untersuchu­ng zeigt, dass die Mietpreisb­remse in Berlin völlig wirkungslo­s ist.“Das gelte aber auch für Städte wie Köln und Düsseldorf.

Die Wirkungslo­sigkeit des Instrument­s dürfe aber nicht dazu führen, dass es nun verschärft werde. „Vermieter hätten infolge eines faktischen Mietstopps keine Anreize mehr, ihre Immobilien zu vermieten“, heißt es in der Studie. Statt dessen würden sich viele entscheide­n, ihre Immobilie zu verkaufen und so dem Mietwohnun­gsmarkt zu entziehen. „Wenn es zu einer Verschärfu­ng der Mietpreisb­remse kommen sollte, würden davon besonders Gutverdien­ende profitiere­n“, so Deschemeie­r. Denn in guten Wohnlagen, die von Besserverd­ienenden bevorzugt würden, nehme die Differenz zwischen erzielten Mieten und ortsüblich­en Vergleichs­mieten überpropor­tional zu.

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