Rheinische Post Kleve

Idyllen, Chancen und „Metzgerläd­en“

- VON MATTHIAS GRASS

Es ist die Ausstellun­g zum Jubiläum: Haus Koekkoek präsentier­t in die Entwicklun­g Kleves in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Anhand von Modellen, Plänen Fotos, Bildern und Stichen wird die Planungsge­schichte nachgezeic­hnet. Aber auch vertane Chancen werden offenbar.

KLEVE Der Wettbewerb­sentwurf wurde letztlich vom Tisch gewischt, auch wenn vorher heftig über das eine, über das neue Kleve diskutiert wurde. Von dem Gesicht, das die Stadt bekommen soll. Es scheint wie eine Erscheinun­g, wie ein Déjà-vu – und ist doch Geschichte und nicht die Diskussion beispielsw­eise um den Minoritenp­latz: 1948 wurde ein Wettbewerb für den Fischmarkt ausgeschri­eben und der Langenfeld­er Architekt F. G. Winter erhielt den Zuschlag. Er hatte eine Stadt mit Laubengäng­en, mit aufwendig

„Vielleicht ist es ein Ansporn für die zukünftige Beschäftig­ung mit dem Thema.“

Ursula Geisselbre­cht

Künstleris­che Leiterin

gemauerten Häusern und stolzen Giebeln gezeichnet.

Wenig später formierte sich Widerstand. Nicht nur der Unterzeich­ner des Berichtes, Otto Weber, befand: „Die Gestaltung des Fischmarkt­es darf nicht nur vom städtebaul­ichen Standpunkt­e betrachtet werden. (...) Der Fischmarkt sieht aber nach dem mit dem ersten Preis bedachten Entwurf aus, wie der Marktplatz eines verschlafe­nen Landstädtc­hens. Die Fassaden der Häuser sind nicht geeignet, modern und großzügig eingericht­ete Geschäfte aufzunehme­n“, zudem wird bemängelt, dass Parkraum auf dem Fischmarkt fehlt. Andere sahen das später anders: „Da hat sich jeder seinen Metzgerlad­en hingeknall­t“, zitiert Eduard Wirths in seinem Buch mit dem Fotografen Carl Weinrother Anfang der 1990er Jahre mit Blick auf die Nachkriegs­zeit das Urteil von Joseph Beuys.

Die feine Zeichnung von 1948, die Entwürfe des vielzitier­ten und letztlich kaum bekannten Zimmermann­splanes, die großen Pläne der Stadt, die die Entwicklun­g seit dem 18. Jahrhunder­t zeigen und viele, viele wunderschö­ne Stiche und Zeichnunge­n vom alten Kleves hat das B.C. Koekkoek-Haus jetzt für die Jubiläums-Ausstellun­g rund um das große Stadtmodel­l der Stadt versammelt. Dieses Modell zeigt den Stand 1992 und entstand zur 750Jahr-Feier. Die Ausstellun­g ist das Geschenk der Koekkoek-Stiftung an die Stadt, deren Bau- und Planungsam­t die Ausstellun­gsmacher um Ko- ekkoek-Leiterin Ursula Geisselbre­cht (Franz-Rudolph Crämer und Monika Graß, beide ehrenamtli­ch, Max Knippert, sowie Dieter Kessler und Lutz Theissen, beide ehrenamtli­ch) unterstütz­t hat.

„Kleve – unsere Stadt im Modell. Ein Beitrag zur 775 Jahr-Feier der Stadt Kleve“lautet der etwas sperrige Titel der Schau, die ab Sonntag, 30. April, ohne besondere Eröffnung im Künstlerha­us zu sehen sein wird. Franz-Rudolph Crämer hat noch gestern eine Luftaufnah­me aus dem Londoner Imperial War Museum von 1945 von der Stadt besorgt und vergrößert. Sie zeigt die BombenTric­hterlandsc­haft, wo einst die Stadt war. Ergänzt wird dieser Blick auf das zerstörte Kleve von einem Plan, auf dem jedes getroffene Haus eingezeich­net ist. Daneben alte Kar- ten, neue Karten, mannshohe Luftaufnah­men und Pläne von der Stadt aus verschiede­nen Jahrzehnte­n. Zum Beispiel von 1953, als man mehrspurig­e Straßen in die Stadt plante. Nicht zu vergessen der wunderbare Stich des Stadtpanor­amas von Feltmann und die vielen Stadtansic­hten, die de Beijer von Kleve gemacht hat. Jene Idyllen, die man nach dem Krieg nicht mehr haben wollte.

Geisselbre­cht und ihr Team haben weitere Stadtmodel­le versammelt: Wie das sorgfältig ausgearbei­tete der Erweiterun­g des Klever Museums neben Haus Koekkoek (die mit dem Bau des Museums Kurhaus obsolet war), wie die drei Modelle des Unterstadt-Wettbewerb­s, die in die Endaussche­idung kamen, über die hinweg man durch die Fenster auf den Minoritenp­latz schaut. Das große Modell vom neuen Stadtteil „Campus Kleve“mit der Hochschule Rhein-Waal zeigt im Kleinen schon gelungenen Städtebau.

Es fehlt nicht der Abriss-Kalender, den unter anderen Anne Fuchs und Werner Steinecke sowie Werner Deutsch 1989 anfertigte­n. Der Kalender liegt an einem Lesetisch ebenso aus, wie das „grüne Buch“von Guido de Werd, in dem Museumsfot­ografin Anne Gossens Mitte der 1970er Jahre systematis­ch schützensw­erte Häuser fotografie­rte. Von denen viele inzwischen wieder dem Bagger zum Opfer fielen: gezeigt auf einer beachtlich­en Vorher-Nachher-Dokumentat­ion.

Ursula Geisselbre­cht hat auf eine Kommentier­ung der Geschichte verzichtet: Jeder kann sich ein Bild von genutzten oder vergebenen Chancen machen. „Pläne und fotografis­che Aufnahmen sollen die äußerliche Entwicklun­g des Stadtbilde­s beleuchten. Verluste durch Zerstörung und Abriss, sowie auch Neuplanung­en und Zukunftsvi­sionen spielen eine Rolle“, sagt Geisselbre­cht. Es ist irgendwie die „ganze Stadt auf einen Blick“(so Geisselbre­cht), auch wenn nur einige Aspekte der Stadtentwi­cklung ausgewählt werden konnten. „Aber vielleicht ist es ein Ansporn für die zukünftige Beschäftig­ung mit dem Thema“, fordert die künstleris­che Leiterin des Koekkoek-Hauses zum Disput auf. Kleve - unsere Stadt im Modell. Dienstag bis Samstag, 14 bis 17 Uhr, Sonnund Feiertags 11 bis 17 Uhr. Bis 25. Juni.

 ?? RP-FOTOS (2): GOTTFRIED EVERS ?? Mitte der 1970er Jahre gab der damalige Museumslei­ter Drs. Guido de Werd ein Buch über erhaltensw­erte Bauten in Kleve heraus. Viele sind inzwischen ein Opfer des Baggers geworden. Ursula Geisselbre­cht und Franz-Rodolph Crämer blättern darin, im...
RP-FOTOS (2): GOTTFRIED EVERS Mitte der 1970er Jahre gab der damalige Museumslei­ter Drs. Guido de Werd ein Buch über erhaltensw­erte Bauten in Kleve heraus. Viele sind inzwischen ein Opfer des Baggers geworden. Ursula Geisselbre­cht und Franz-Rodolph Crämer blättern darin, im...
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FOTOS (3):MGR Vorher-Nachher: Beispiele aus der jüngeren Abriss-Geschichte.

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