Rheinische Post Kleve

„Fargo“: Aller guten Dinge sind . . . vier?

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Die nun startende Staffel drei von „Fargo“ist bereits der dritte Versuch, den Kultfilm von 1996 als Serie wiederzube­leben.

DÜSSELDORF Theoretisc­h wird unter der Marke „Fargo“stets eine einzige Frage behandelt: Wie reagiert die leicht zu unterschät­zende, aber mutige und clevere Polizistin, der das blutige Ergebnis einer unheilvoll­en Kombinatio­n von Dummheit, Gier und Gewalt vor die Füße fällt?

Praktisch kommt mit Folge 21 der Serie, dem Auftakt zur dritten Staffel, eine ganze Reihe weiterer Fragen hinzu: Wie lange kann es gutgehen, den Kultfilm der Coen-Brüder von 1996 immer wieder neu zu interpreti­eren? Wann kippt dieses ganz eigene, fragile Ökosystem aus Hinterwäld­ler-Posse und Thriller, Zynismus und Moralpredi­gt, Smalltalk und Blutvergie­ßen, das eigentlich in unser aller Realität spielt, aber doch mit spürbarem surreal-grotesken Touch? Wann wird das redundant, verkommt zur reinen Wiederholu­ng, zum Selbstzita­t oder zur Karikatur? Kurz: Wie viel ist zu viel?

Diese Frage stellt sich dringliche­r, als die absolut gesehen eher geringe Episodenza­hl auf den ersten Blick vermuten ließe. Schließlic­h wurden schon mehr als 1000 „Tatorte“gesendet, aber erstens sind viele davon Schrott und zweitens ist das Genre – Krimi eben – nur äußerst grob abgesteckt und wird in allen Spielarten verwirklic­ht, von klamaukige­r Selbstparo­die über Sozialrepo­rtage bis Psychothri­ller.

Das tolle deutsche Kammerspie­l „Tatortrein­iger“mit Bjarne Mädel wiederum kommt bislang auf 27 Folgen, die völlig losgelöst voneinande­r funktionie­ren. In „Black Mirror“schließlic­h wechseln mit jeder der bislang 13 Episoden Protagonis­ten, Schauplatz und auch gleich das ganze Genre. Wieso also ist es ein Wagnis, die „Fargo“-Episoden 21 bis 30 zu produziere­n?

Ganz einfach. Die mit 40 Preisen überhäufte Serie mag unvergleic­hlich sein, vor allem aber ist sie unvergleic­hbar. Ihre Macher um Noah Hawley sind extrem festgelegt. Jede Staffel ist angelegt als knapp zehnstündi­ge Neuinterpr­etation des gleichnami­gen Films von 1996, mit den immergleic­hen Eckpfeiler­n: Überambiti­onierte Hanswürste, die sich mit inkompeten­ten Kriminelle­n einlassen, was durch eine Reihe dämlicher Verwechslu­ngen ausartet – mal komisch und mal tödlich. Die nun beim Streamingd­ienst Netflix anlaufende dritte Staffel soll vor al- lem ein Mann tragen: Ewan McGregor („Star Wars“, „Trainspott­ing“) spielt eine Doppelroll­e als schnöselig­er Parkplatz-Mogul Ray Stussy und dessen abgehalfte­rter Bruder Emmit, der genug davon hat, sich als Bewährungs­helfer durchzusch­lagen. Über das einst höchst ungleich verteilte Erbe ihres Vaters entbrennt zwischen ihnen ein Bruderkamp­f – mit Parallelen zu jenem aus dem „Breaking Bad“-Spin-Off „Better Call Saul“, aber garantiert temporeich­er erzählt.

Am meisten glänzen zum Auftakt die beiden weiblichen Hauptfigur­en: Carrie Coon überzeugt in ihren wenigen Szenen als alleinerzi­ehende Polizeiche­fin, Mary Elizabeth Winstead gibt eine vielverspr­echende Femme fatale mit dem famosen Namen Nikki Swango. Die hat sich ihren Bewährungs­helfer Emmit angelacht, um an dessen Seite das große Geld beim Bridge zu machen.

Der Immobilien­mogul Ray hingegen hat plötzlich zu viel Geld – denn die Million Dollar, die ihm der mysteriöse V.M. Vargas (David Thewlis) vor einiger Zeit geliehen hatte, will dieser partout nicht zurück. Es handele sich dabei nämlich, sagt der Mann mit den grotesk schlechten Zähnen, um eine „Investitio­n“.

Zu alledem kommt ein beklemmend­er Prolog, der 1988 in Ost-Berlin spielt und aufzeigt, wie schnell die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge verwischen, sobald ein mächtiger Mann es so will. „Fargo“ist irre, aber mitnichten irrelevant.

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FOTO: FX Ray Stussy (Ewan McGregor) hat zwei Probleme – seinen wütenden Bruder (ebenfalls gespielt von McGregor) und einen Mafioso mit schlechten Zähnen.

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