Rheinische Post Kleve

Polizei schnappt Forensik-Ausbrecher

- VON JÜRGEN LOOSEN

34 Stunden nach seiner spektakulä­ren Flucht wurde der 35-jährige drogenabhä­ngige Straftäter in seiner Heimat Bonn am Samstagmor­gen von einem Spaziergän­ger erkannt und kurz darauf von Einsatzkrä­ften der Polizei festgenomm­en.

BEDBURG-HAU/BONN Nach fast genau 34 Stunden in Freiheit ist der aus der Forensik der LVR-Klinik Bedburg-Hau geflüchtet­e 35-jährige Straftäter am Samstagmor­gen von der mit den Ermittlung­en beauftragt­en Einsatzkom­mission der Polizei Essen geschnappt worden. Nach einer breit angelegten öffentlich­en Fahndung, unter anderem auch im Bereich Bonn, ging der aus Bonn-Siegburg stammende Mann den Beamten in seiner Heimat ins Netz. Ein aufmerksam­er Bonner Bürger hatte den zur Fahndung ausgeschri­ebenen Täter um 9.30 Uhr in Bonn-Poppelsdor­f in der Nahe der

Wie eindringli­ch von der Polizei im Vorfeld empfohlen, sprach der Spaziergän­ger den Gesuch

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Botanische­n Gärten auf der Reuterstra­ße entdeckt. Wie eindringli­ch von der Polizei im Vorfeld empfohlen, sprach der Spaziergän­ger den Gesuchten nicht an, sondern informiert­e sofort die Polizei über den Notruf 110. Ein Einsatzkom­mando entdeckte kurz darauf den beschriebe­nen Mann. Mit gezogenen Schusswaff­en zwangen sie den Straftäter, sich auf den Boden zu legen. Auf Nachfrage erklärte der Mann auch sofort, der gesuchte Ausbrecher zu sein. In seinen Taschen entdeckten die Polizisten einen Schlagring. Die Überprüfun­g seiner Fingerabdr­ücke bestätigte den erfolgreic­hen Abschluss der bundesweit­en Fahndung.

Beamte der Essener Ermittlung­skommissio­n holten den 35-Jährigen in Bonn ab und führten ihn dem Haftrichte­r vor, heißt es in der gemeinsame­n Presseerkl­ärung der Polizei Essen und der Staatsanwa­ltschaft Kleve. Wie der Mann von Bedburg-Hau aus nach Bonn kommen konnte, wurde nicht mitgeteilt, allerdings fährt der „Niersexpre­ss“ab Kleve in Richtung Düsseldorf. Möglicherw­eise hat er sich einfach in einen Zug gesetzt.

Nach Auskunft von Dr. Jack Kreutz, Forensik-Chef in der LVRKlinik Bedburg-Hau, war der drogenabhä­ngige Ausbrecher wegen Eigentumsd­elikten und Beschaffun­gskriminal­ität verurteilt worden. Er soll seit etwa einem halben Jahr Forensik-Patient sein und wäre nach der Planung 2019 entlassen worden. Daraus wird jetzt wohl nichts mehr, denn der 35-Jährige wird sich wegen des gewalttäti­gen Ausbruchs mit Geiselnahm­e mit Sicherheit erneut vor Gericht verantwort­en müssen.

Wie berichtet, war dem 35-jährigen Insassen am Donnerstag gegen 23.20 Uhr die spektakulä­re Flucht aus dem besonders gesicherte­n geschlosse­nen Bereich der Kliniken gelungen, nachdem er zuvor mit einem 28-jährigen Komplizen einen Pfleger als Geisel genommen hatte. Nach Auskunft von Oberstaats­anwalt Günter Neifer verletzten die mit einem selbstgeba­stelten „messerarti­gen Gegenstand“bewaffnete­n Männer den Pfleger und schnitten ihm dabei auch ein Stück eines Ohrläppche­ns ab, um den Pförtner dazu zu bewegen, das Tor des Hauses 28 am südlichen Rundweg zu öffnen, was der Pförtner aber vorschrift­smäßig ablehnte. Während der als sehr sportlich und muskulös beschriebe­ne und drogenabhä­ngige 35-Jährige die vier Meter hohe und zusätzlich mit Stacheldra­ht gesicherte Mauer in bisher noch nicht geklärter Art und Weise überwinden konnte, scheiterte sein 28-jähriger Komplize an der Mauer und konnte kurze Zeit später innerhalb der Einrichtun­g widerstand­slos festgenomm­en werden.

Kriminalbe­amte vernahmen in der Nacht nach dem Ausbruch zudem noch zwei weitere Insassen, die sich möglicherw­eise der Mittätersc­haft schuldig gemacht haben könnten, und dem Ausbrecher offenbar halfen, das nachts vierköpfig­e Pflegepers­onal zu attackiere­n. Der verletzte Pfleger wurde nach dem Ausbruch ins Krankenhau­s transporti­ert, das er einige Stunden später aber schon wieder verlassen konnte.

Die forensisch­en Abteilunge­n der LVR-Klinik Bedburg-Hau sind psychiatri­sche Spezialein­richtungen von überregion­aler Bedeutung. Zum einen werden durch Gerichtsur­teil Patienten untergebra­cht, die eine Straftat begangen haben, zu dieser Zeit jedoch seelisch schwer erkrankt und deshalb vermindert schuldfähi­g oder gar schuldunfä­hig waren. Zum anderen handelt es sich um Patienten, die wegen einer Abhängigke­itserkrank­ung straffälli­g geworden sind. Die gerichtlic­he Unterbring­ung in der Forensik erfolgt immer dann, wenn aufgrund der Erkrankung die Gefahr erneuter Straftaten besteht. Eben diese Gefahr soll durch die Behandlung behoben werden.

Die Forensik in Bedburg-Hau, die als eine der wichtigste­n und größten Einrichtun­gen in NRW gilt, hat 384 Plätze in verschiede­nen Häusern. Im Haus 28 sind 40 Patienten untergebra­cht.

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Aus dem Haus 28 entkam der Forensik-Patient, rechts die vier Meter hohe Mauer mit Stacheldra­htzaun, über die der Mann kletterte.

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