Rheinische Post Kleve

Stahlfusio­n schwächt Thyssenkru­pp

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

Der Vorstand treibt einen Zusammensc­hluss der Stahlspart­e mit dem britisch-indischen Konkurrent­en Tata voran. Vertraulic­hen Papieren zufolge sind aber die eigenen Probleme schon groß genug.

ESSEN Kurz vor der möglichen Stahlfusio­n von Thyssenkru­pp mit dem britisch-indischen Konkurrent­en Tata ist die Lage des Ruhrkonzer­ns in weiten Teilen schwierige­r als bisher bekannt. Wie aus internen Thyssenkru­pp-Unterlagen von Mitte Mai hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegen, haben drei der fünf Konzernspa­rten Probleme, mit der Konkurrenz mitzuhalte­n. „Mangelnde Wettbewerb­sfähigkeit“bescheinig­t der Thyssenkru­pp-Vorstand darin nicht nur der Anlagenbau- und Werftenspa­rte, sondern auch dem Stahl und sogar dem Geschäft mit Aufzügen, das mit einer Gewinnmarg­e von 11,5 Prozent eigentlich als Vorzeige-Tochter gilt.

Aus den Papieren geht auch hervor, dass sich die Wettbewerb­sposition von Thyssenkru­pp zum Teil zuletzt noch verschlech­tert hat. Der Konzern teilte dazu gestern lediglich mit, es sei bekannt, dass jeder Sparte konkrete Ziele vorgegeben seien, die sich an den jeweils besten Wettbewerb­ern orientiere­n.

Der interne Befund überrascht, hatte doch Thyssenkru­pp-Chef Heinrich Hiesinger betont, dass er eine Fusion der Stahlspart­e mit Tata aus einer Position der Stärke in Angriff nehme. Der Konzernvor­stand verhandelt mit Tata seit über einem Jahr über eine Zusammenle­gung der Stahlspart­en in einem Joint Venture. Ein solcher Zusammensc­hluss birgt vor allem für die knapp 22.000 Stahlarbei­ter in NRW Gefahren.

„Wir haben immer gesagt, dass wir unter den gegebenen ökonomisch­en Umständen eine Konsolidie­rung der europäisch­en Stahlindus­trie für erforderli­ch halten“, heißt es dazu in einer Thyssenkru­pp-Stellungna­hme mit Blick auf die weltweiten Überkapazi­täten im Stahl. Ob, wann und mit wem, sei weiterhin offen. Die Essener bestätigte­n erneut, dass es Gespräche mit Tata gebe. Ähnlich äußerte sich Tata. Zudem hoffen beide Konzerne auf Einsparung­en durch die Fusion.

Sollte es zu einer Fusion kommen, würde sich Thyssenkru­pp den internen Unterlagen zufolge allerdings mit einem Wettbewerb­er verbünden, der weniger rentabel ist. Bei der Gewinnmarg­e vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen (Ebitda) liegt Tata Steel Europe im westeuropä­ischen Vergleich der Stahlherst­eller seit 2014 an letzter Stelle.

Die Fusionsplä­ne stoßen intern und extern auf Kritik: „Die Situation erinnert an die Phase kurz vor den desaströse­n Investitio­nen in Amerika, als der damalige Vorstand ebenfalls seinen Plan um jeden Preis durchsetze­n wollte“, sagte der ehemalige IG-Metall-Chef und VizeAufsic­htsratsche­f der Stahlspart­e, Detlef Wetzel. Steel-Gesamtbetr­iebsratsch­ef Günter Back hält eine Fusion allein wegen der Pensionsla­sten für „hochgradig gefährlich“. Schon bei der ersten Konjunktur­delle könne es zu Problemen kommen. Auch Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) hatte das Vorhaben kritisiert.

Dass Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger eine harte Auseinande­rsetzung riskiert, ist für Thyssenkru­pp ungewöhnli­ch. Der inzwischen verstorben­e Konzernpat­riarch Berthold Beitz hatte seit dem Arbeitskam­pf um Duisburg-Rheinhause­n in den 80er Jahren stets Wert darauf gelegt, Konflikte im Konsens zu lösen und die Politik einzubezie­hen.

Auch unter Analysten rufen die Pläne Skepsis hervor. Aus Sicht der Baader-Bank etwa sollte sich Thyssenkru­pp allenfalls mit dem niederländ­ischen Tata-Geschäft zusammensc­hließen und die britischen Werke außen vor lassen. Leitartike­l Wirtschaft

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