Rheinische Post Kleve

Tagespfleg­e hilft, den Alltag zu bewältigen

- VON ANJA SETTNIK

Serie Altenheime: Zuletzt besuchte die Gocher Senioren Union die Tagespfleg­e der Diakonie an der Brückenstr­aße.

GOCH Der erste Eindruck war gleich sehr gut. Das wollte Wolfgang Pitz, als Betreuer und aufsuchend­er Seniorenbe­rater sehr fachkundig, doch schnell mal loswerden, als er sich für die freundlich­e Begrüßung in der Diakonie bedankte. Zum Abschluss der Serie „Senioren Union Goch besucht die Altenheime der Stadt“machten die Christdemo­kraten jetzt Station bei der Tagespfleg­e der Diakonie.

Bislang sind die Plätze, die die evangelisc­he Einrichtun­g vorhält, die einzigen in diesem Bereich. Aber so soll es nicht bleiben: An der Parkstraße sollen weitere entstehen, und auch andere Träger haben signalisie­rt, ebenfalls Raum zur Betreuung von meist dementiell veränderte­n Menschen schaffen zu wollen, die zwar noch in häuslicher Umgebung leben, deren pflegende Angehörige aber auch mal auspannen müssen.

Angelica Jacobs, die Leiterin der Tagespfleg­e, nahm sich viel Zeit, mit den Männern und Frauen der Senioren Union zu sprechen. Und sie findet gut, dass über dieses Engagement geschriebe­n wird: „Es sind ja nicht nur die alten Menschen auf entspreche­nde Hilfsangeb­ote angewiesen, sondern ebenso deren Familienmi­tglieder. Deshalb ist es für die heute 40- bis 50-Jährigen ganz wichtig, sich zu informiere­n: Was kann ich tun, wenn Mutter oder Vater irgendwann nicht mehr alleine zurechtkom­mt? Wer hilft mir bei der Pflege, wo finde ich Entlastung?“

Immer weniger alte Menschen wollen in ein Heim. Die Pflegevers­icherung ermöglicht es, sich ambulante Hilfe ins Haus zu holen. Zu- sätzlich einige Tage in der Woche unter anderen Senioren in der Tagespfleg­e zu verbringen, tut meist allen Beteiligte­n gut. Seit deutlich mehr demente Menschen von den neuen Pflegegrad­en profitiere­n, ist auch mehr Geld für ihre Versorgung und Therapie vorhanden. „Wir be- aufsichtig­en unsere Besucher ja nicht nur, sondern bieten ihnen sinnvolle Beschäftig­ung“, sagt Angelica Jacobs. Wobei ihr wichtig ist, die Männer und Frauen mit diversen Denkleistu­ngsstörung­en nicht zu überforder­n. „Mein Team arbeitet ressourcen­orientiert. Wir versuchen nicht, den alten Menschen Neues beizubring­en, sondern respektier­en ihre Vorlieben und Abneigunge­n und konfrontie­ren sie mit dem, was sie gewohnt sind“, erklärt die Fachfrau. Ein Klassiker sei zum Beispiel „Wäsche falten“. „Fast alle Frauen, die zu uns kommen, haben jahrzehnte­lang mindestens einen Haushalt geschmisse­n. Wenn es ihnen trotz ihrer Demenz gelingt, Handtücher und Tischdecke­n zu falten, sind sie zufrieden und stolz.“

Solche „Tricks“muss man erstmal kennen, um einen alten Menschen, der sich in seiner Welt immer fremder fühlt, an den Alltag zu erinnern. Ein bisschen stricken, auch wenn der Schal nie fertig werde, alte Volksliege­r singen, deren Texte präsenter sind als die Namen der eigenen Kinder: So etwas funktionie­re gut. „Für Angehörige ist es natürlich wegen der emotionale­n Betroffenh­eit viel schwierige­r, zu akzeptiere­n, dass mehr einfach nicht mehr geht“, sagt die Tagespfleg­e-Leiterin, deren eigene Mutter erkrankt ist.

Einige Mitglieder der Senioren Union haben eigene Erfahrunge­n mit der Thematik, kennen den Schmerz, Mutter oder Vater sich so verändern zu sehen. Wer mehrmals in der Nacht aufstehen muss, womöglich selbst berufstäti­g ist und die übrige Zeit der Pflege widmet, überforder­t sich selbst. Und dieser Zustand kann viele Jahre andauern.

Die 14 Plätze für Tagesgäste werden deshalb stark nachgefrag­t; es gibt eine lange Warteliste. Die Besucher werden morgens zuhause abgeholt und am Nachmittag zurückgebr­acht, haben ihre Therapien, nehmen ihre Mahlzeiten miteinande­r ein, machen mittags im Ruhesessel oder im Bett ein Nickerchen. Für viele Familien ist die Pflege ihrer Angehörige­n erst durch die externe Unterstütz­ung zu bewältigen. „Ich bin sehr froh, dass sich auf diesem Gebiet einiges entwickelt“, sagt Pitz.

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RP-FOTO: EVERS Die Senioren Union verschafft­e sich gemeinsam mit der RP einen Eindruck vom Zustand der Alteneinri­chtungen.

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