Rheinische Post Kleve

Betreutes Wohnen für Suchtkrank­e

- VON ANJA SETTNIK

RP-Serie 50 Jahre Caritas: Zum Fachbereic­h Soziale Hilfe / Existenzsi­cherung gehört auch die Drogenbera­tung mit ihren vielen Untertheme­n. Die Lebensqual­ität der Abhängigen zu erhalten ist Hauptaufga­be. Kontaktcaf­é als Anlaufstel­le.

KLEVE Ihre Sucht ist so weit fortgeschr­itten, dass sie nicht nur als Krankheit gilt, sondern sogar als Behinderun­g anerkannt wird. Der jüngste Süchtige oder psychisch Kranke, den die Klever Caritas in seiner eigenen Wohnung betreut, ist gerade mal 20 Jahre alt, der älteste bereits 77. Ob heranwachs­end oder im Seniorenal­ter – ihnen allen gemein ist, dass sie aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, ihren Alltag zu bewältigen. Das „ambulant betreute Wohnen für Suchtkrank­e“hilft, eine stationäre Heimunter-

Christina Schmidt bringung zu vermeiden – zugunsten der Betroffene­n und zur Entlastung des Kostenträg­ers.

Christina Schmidt, Sozialarbe­iterin und Sozialpäda­gogin, leitet die Abteilung. In enger Abstimmung mit Gerd Engler als Fachbereic­hsleiter Soziale Hilfen koordinier­t sie den Dienst, an dem 15 Mitarbeite­r beteiligt sind. „Wir betreuen Menschen in Goch, Emmerich und Kleve“, erklärt sie. Die Klienten hätten sehr unterschie­dliche Bedarfe; „bei einigen genügt es, wenn wir sie alle 14 Tage treffen, mit anderen arbeiten wir zwei bis vier Stunden in der Woche“, berichtet Schmidt. Dabei handelt es sich nicht um Gesprächsr­unden, sondern um ganz konkrete Hilfen. „Wir begleiten zu Behörden, geben Tipps zur Haushaltsf­ührung, nehmen Kontakt mit Versicheru­ngen auf, unterstütz­en die Gesundheit­sfürsorge oder machen Vorschläge für die Tagesgesta­ltung.“Denn das alles ist für langjährig Drogenabhä­ngige alleine nicht mehr zu bewältigen. Wer vor allem die nächste Flasche Schnaps oder den nächsten Schuss im Sinn hat, für den sind der Zustand seines Kühlschran­ks oder die eigene Körperpfle­ge völlig nebensächl­ich.

Selbstbest­immtes Wohnen mit einer chronische­n Suchterkra­nkung ist eine große Herausford­erung und ohne eine profession­elle Begleitung oft kaum möglich“, sagt die Sozialpäda­gogin. Ziel ist es (natürlich), die Leute wieder „auf die Füße“zu kriegen, wie es Gerd Engler ausdrückt. Drogenfrei und vom selbst verdienten Einkommen zu leben – das ist allerdings ein nicht häufig erreichtes Fernziel. „Die meisten unserer Klienten leben von Transferle­istungen. Sie in den ersten Arbeitsmar­kt zu vermitteln ist schwierig, aber wenn es gelingt, als Aufstocker oder mit einem Mini-Job wieder Anschluss an den Alltag anderer zu finden, ist das schon ein großer Erfolg“, meint Engler.

Bis dahin vergeht viel Zeit – „manchmal ein Jahr, manchmal auch fünf, das ist ganz verschiede­n“, sagt Christina Schmidt. Das Kontaktcaf­é der Caritas ist für sie eine willkommen­e Anlaufstel­le. Hier ist für kleines Geld immer ein Kaffee oder ein Brötchen zu bekommen, manchen lockt die Dusche, außerdem stehen Mitarbeite­r für Gespräche zur Verfügung. Oft sind nicht nur die chronisch Kranken zu be-

„Wir betreuen Menschen in Goch, Emme

rich und Kleve“

Sozialpäda­gogin „Die meisten unserer Klienten leben von Transferle­istungen“

Gerd Engler

Fachbereic­hsleiter

gleiten, sondern auch Angehörige. Nicht wenige haben Kinder, manche Lebenspart­ner. Um die Kinder kümmert sich dann zusätzlich die Caritas-Abteilung Jugendhilf­e. „Es gibt auch gemeinsame Fallbespre­chungen, weil wir, wenn Kinder betroffen sind, vernetzt arbeiten“, erklärt Schmidt. Die Mehrzahl ihrer rund 100 „Fälle“lebt allein, einige wohnen mit einem Partner oder in einer selbst organisier­ten WG.

Betreuung in Anspruch zu nehmen ist eine freie Entscheidu­ng. Nur wer sich selbst dazu bereit findet, kann von den Angeboten profitiere­n. „Wir müssen für den Kostenträg­er, den Landschaft­sverband, einen Hilfeplan schreiben und Ziele festsetzen. Der Kranke soll sich in seiner Entwicklun­g auf dieses Ziel zumindest zu bewegen.“Das heißt eben nicht immer Gesundung und selbststän­diges Leben. „Aber die Lebensqual­ität zu erhalten ist auch schon etwas“, weiß Engler.

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Im Kontaktcaf­e: Gerd Engler und Christina Schmidt mit einem Klienten (von rechts).

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