Dalmatinerpolitik
Wir kennen die Politik der kleinen Schritte, die wesentlich diplomatischer daherkommt als etwa die Kanonenbootpolitik. Die Politik des Aussitzens ist uns ebenso vertraut wie die ihr nahe verwandte Politik der ruhigen Hand. Nun aber lesen wir von einem Politikstil, der uns so noch nicht untergekommen ist: Die Union hat dem Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, gestern eine „Dalmatiner-Politik“vorgeworfen. Man sehe nur lauter Punkte – hier mal ein Fünf-Punkte-Papier, da mal eine Zehn-PunkteRede. Wieder was gelernt. CDUGeneralsekretär Peter Tauber, der auf den Hund gekommen ist, erhofft sich wohl, dass dieser Punkt im Wahlkampf an ihn geht. Doch Obacht: Die Monate bis zum 24. September können noch lang – und aus Belächeln schnell Hinterherhecheln werden. bew
t sich ein Mitarbeiter seinem Chef, weil er Verwerfliches verlangt, hat das oft berufliche Nachteile zur Folge. Dabei sollten Unternehmen ethisch Ungehorsame unterstützen. Denn sie sind es, die ihrer Arbeit loyal nachgehen.
versetzt oder zwangspensioniert, die Abteilung geschlossen.
Ist es also besser zu schweigen, wenn einem auffällt, dass der OP-Arzt ein Alkoholproblem hat oder der Banker seinen Kunden unseriöse Produkte verkauft? Nein. Auch Vorgesetzten darf es nicht gelingen, Verfehlungen unter dem Mantel der Verschwiegenheit zu vertuschen. „Manchmal sind die ethischen Prinzipien stärker als Loyalität und Angst vor Strafe“, sagt Marcus.
Zwar gibt es in Deutschland noch immer kein Schutzgesetz für Hinweisgeber. Der Fall der Altenpflegerin Brigitte Heinisch hat Arbeitnehmer aber zumindest gestärkt. Heinisch hatte mehrfach intern den Personalmangel und den einhergehenden Pflegemangel in ihrer Einrichtung kritisiert. Als sie nach zwei Jahren Strafanzeige erstattete, wurde sie fristlos entlassen. Erfolglos klagte sie durch alle nationalen Gerichtsinstanzen, schließlich gab ihr der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 Recht. Wenige Monate nach der Entscheidung nahm auch das Bundesarbeitsgericht die Grundsätze in die deutsche Rechtsprechung auf. Sie sind ohne ausdrückliches Gesetz bindend. Auch Steuerfahnder Schmenger und seine Kollegen sind inzwischen rehabilitiert. Der Psychiater wurde wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung verurteilt und musste in allen vier Fällen Schadensersatz zahlen.
Ein Freifahrtschein zum Chefanschwärzen ist die Regelung aber nicht. Die Experten raten, Missstände immer erst intern anzusprechen. Wer nicht belegen kann, dass er – bevor er an die Öffentlichkeit ging – eine innerbetriebliche Lösung gesucht hat, dem droht weiterhin der Jobverlust. In vielen Unternehmen gibt es inzwischen HinweisgeberHotlines oder Vertrauenspersonen wie Ombudsmänner. „Diese wissen, was zu tun ist, um möglichen Schaden von Kunden, Patienten, aber auch dem Unternehmen abzuwenden“, sagt Kummert. Sich an den nächsthöheren Vorgesetzten oder Betriebsrat zu wenden, ist ebenso möglich. Es sollte im Interesse jedes Unternehmens liegen, potenzielle Hinweisgeber zu unterstützen. Letztlich sind sie es, die loyal ihrer Arbeit nachgehen.