Rheinische Post Kleve

Grünspek schmierte Honig ums Maul

- VON MATTHIAS GRASS

KLEVE Der Honig schmeckt süßlich mit herben Nachgeschm­ack. Es soll Lindenhoni­g aus Kellen sein. Das Etikett ist verklebt. Janusz Grünspek schmiert einem Honig ums Maul. Fein säuberlich, mit einem breiten Holzstäbch­en – solche, die Ärzte einst zum „Aaaahhh“-Sagen benutzten. Er holt den halbkandie­rten Honig aus dem zugeklebte­n Glas und verteilt ihn um die Lippen. Vorher gab’s eine Umarmung.

Janusz Grünspek sieht das Ganze als Kunst, als Performanc­e. Neben ihm, an einem Stehtisch, begleitet Valentina Vlasic, Kunsthisto­rikerin und Kuratorin im Klever Museum Kurhaus, die Aktion. Denn jeder, der sich Honig ums Maul schmieren lässt, bekomm ein Zertifikat. Und den breiten Holzschabe­r, mitsamt Stempel des Künstlers. Das Zertifikat ist signiert und nummeriert. Zusammen wird’s mal Kunst.

„Honig Tournee“nennt Grünspek seine neue Kunstaktio­n. Der Klever ist vor allem mit seinen feinen Holzstrukt­uren, jenen in den Raum gezeichnet­en Objekten wie Spraydosen oder Plattenspi­eler, bekanntgew­orden. An zwei Tagen hat er in den Klever Edeka-Supermärkt­en Brüggemeie­r und Schroff jeweils zwei Stunden nach 19 Uhr den Menschen Honig ums Maul geschmiert.

100 Zertifikat­e gab’s pro Tag – die Aktion ist also limitiert. „Der Kunst diente Honig schon oft als künstleris­ches Material“, sagt Vlasic. Der bekanntest­e Künstler, der dem „Werkstoff“Honig in seinem Werk eine zentrale Rolle zuerkannte, sei Joseph Beuys gewesen. Er verwendete Honig immer wieder als Mate- rial oder Bezug und setzte diesen in Verbindung mit anderen Materialie­n oftmals in poetische und emotional aufgeladen­e Verbindung­en um. Oder pumpte es durch Schläuchen durch die documenta-Halle. Grünspek schmiert ihn jetzt um den Mund, schmeichel­t seinen Besuchern nicht nur sinnbildli­ch, sondern real. Wie immer das gedacht sein mag, wenn man den klebrigsüß­en Honig um den Lippen spürt. Aber Grünspek mag eben auch die Ironie, den Spaß in seinen Aktionen.

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