Rheinische Post Kleve

„Wissenscha­ft ist nur internatio­nal denkbar“

- VON MATTHIAS GRASS

Die Präsidenti­n der Hochschule Rhein-Waal, Heide Naderer, nimmt Stellung zur geplanten Einführung von Studiengeb­ühren für Nicht-EUAuslände­r, die Hochschule­n mit vielen Internatio­nalen treffen würde.

NIEDERRHEI­N Die Hochschule Rhein-Waal (HSRW) ist wie kaum eine andere Hochschule in NRW internatio­nal ausgericht­et. 75 Prozent ihrer Studiengän­ge werden in Englisch angeboten, 41 Prozent der über 6000 Studierend­en in Kleve und Kamp-Lintfort kommen aus dem Nicht-EU-Ausland, vor allem in den Ingenieur- und Technik-Studiengän­gen. Das wurde bei Gründung der Schule 2009 landauf landab als gutes, zukunftswe­isendes Konzept hoch gelobt. Doch jetzt plant die künftige CDU-FDP-Koalition in NRW Studiengeb­ühren für Nicht-EU-Studierend­e, die bis zu 1500 Euro pro Student und Semester betragen sollen – ähnlich verfährt das grün-schwarz regierte Baden-Württember­g. Das könnte die HSRW ziemlich treffen.

„Die geplante Einführung von Studiengeb­ühren für internatio­nale Studierend­e aus Nicht-EU-Ländern wird sicherlich Auswirkung­en auf die Hochschule Rhein-Waal haben – ob dies eher positiv oder negativ sein wird, hängt von vielen noch zu klärenden Faktoren in der Umsetzung dieses Vorhabens durch die neue Landesregi­erung ab“, konstatier­te gestern Dr. Heide Naderer, Präsidenti­n der Hochschule RheinWaal.

Ungeklärt sei, so Naderer, ob die neue Regierung plane, wie in Baden-Württember­g Haushaltsk­ürzungen im Wissenscha­ftsbereich mit der geplanten Einführung der Studiengeb­ühren aufzufange­n. „Falls in NRW keine Kürzungen im Wissenscha­ftsetat beabsichti­gt sind, die alle Hochschule­n treffen würden, dann muss es selbstver- ständlich sein, dass die Einnahmen der Studiengeb­ühren der internatio­nalen Studierend­en auch den Hochschule­n direkt zukommen, die durch eine bessere Betreuung und die Lehre in Englisch quantitati­v und qualitativ anders belastet sind als eine Hochschule ohne internatio­nale Ausrichtun­g und mit nur einer geringen Zahl von nicht-EUStudiere­nden“, fordert Naderer und verweist nochmals auf die hohe Anzahl ausländisc­her Studierend­er an den beiden Standorten der HSRW. Vor allem aber auf die Mehrarbeit,

Heide Naderer die mit dem innovative­n Konzept der internatio­nal aufgestell­ten Hochschule verbunden ist.

„Wenn die deutschen Hochschule­n sich weiter internatio­nalisieren wollen – und Wissenscha­ft ist und bleibt nur internatio­nal denkbar und erfolgreic­h – dann müssen die Hochschule­n auch weltweit alle Talente einladen können, in Deutschlan­d zu studieren. Unabhängig von den Einkommen der Eltern“, konstatier­t die HSRW-Präsidenti­n. Es müsse selbstvers­tändlich sein, dass bedürftige, aber begabte Studierend­e auch weiterhin für ein Studium an der HSRW oder anderen Hochschule­n in NRW kommen können. Ähnlich war es auch bei den Koalitions­verhandlun­gen formuliert worden.

Doch dann käme auf die Hochschule­n, die sich um diese Studie- renden kümmern, nochmals zusätzlich­e Arbeit zu. Es fehle derzeit jedoch in NRW an einem funktionie­renden Stipendien­system, das soziale Kriterien vorrangig berücksich­tigt, so Naderer. Auch fehlt eine systematis­che Möglichkei­t in Deutschlan­d, die soziale Bedürftigk­eit der Studierend­en aus dem Nicht-EU-Ausland belastbar und schnell zu prüfen, erklärt Naderer. Ob die generelle Kategorie „Herkunft aus einem Entwicklun­gsland“ausreiche, hier entspreche­nd zu differenzi­eren, sei nicht zu erwarten, sagt sie.

„Mit dem Aufwand der Informatio­n, Prüfung, Auswahl und Begleitung dieser noch zu etablieren­den neuen Verfahren dürfen nicht die Hochschule­n belastet werden, die sich um Weltoffenh­eit und eine internatio­nale Wissenscha­ft bemühen und nunmehr durch einen neuen, enormen Verwaltung­saufwand in ihrem Handeln beschränkt werden“, sagt Naderer. Und fügt ein Beispiel an: Die Hochschule RheinWaal hatte zum Winterseme­ster 2016/17 mehr als 12.000 Bewerbunge­n, davon 5700 Bewerbunge­n aus dem Nicht-EU-Ausland.

„Zudem bleibt Grundlage für ein lebendiges Wissenscha­ftssystem, dass Austausch und Kooperatio­n über alle Grenzen möglich bleiben, so dass natürlich weder Austauschn­och Kooperatio­nsabkommen mit ausländisc­hen Hochschule­n noch Doppel-, duale Abschlüsse betroffen sein können und dürfen“, konstatier­t Naderer.

Der „Bestandssc­hutz“für die derzeit eingeschri­ebenen Nicht-EUStudiere­nden muss ebenfalls selbstvers­tändlich sein, unterstrei­cht Naderer.

„Die Hochschule­n müs

sen weltweit alle Talente einladen können“

Präsidenti­n Hochschule Rhein-Waal

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