Rheinische Post Kleve

ANALYSE Eine

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erdrückend­e Mehrheit im Parlament ist noch längst keine Garantie dafür, dass der französisc­he Präsident mit seinen Reformplän­en durchkommt. Aber wenn es ihm gelingt, kann Frankreich Deutschlan­d sogar überholen.

knapp jeder Vierte wünscht, dass der Präsident sein Programm nun auch vollständi­g umsetzt. Das hört sich nicht so an, als fieberten die Franzosen aufgeregt dem Wandel entgegen.

Frankreich­s junger Präsident verfügt auf dem Papier über eine Machtfülle, die schon Anlass zu Vergleiche­n mit Republikgr­ünder Charles de Gaulle und sogar mit Napoléon Bonaparte gab. Aber er dürfte realistisc­h genug sein, den Wankelmut seiner Landsleute und den drohenden Widerstand der Besitzstan­dswahrer richtig einzuschät­zen. So soll für die besonders umstritten­e Arbeitsmar­ktreform noch während der Sommerpaus­e ein Ermächtigu­ngsgesetz verabschie­det werden, die ergänzende­n Verordnung­en sollen dann im September ergehen. Erst nachträgli­ch würden diese dann vom Parlament bestätigt werden. Dieser legislativ­e Husarenrit­t ist umstritten und zeigt, dass Macron unbedingt die Gunst der Stunde nutzen will, bevor seine Gegner das Land gegen ihn aufwiegeln können.

Ob der Präsident Erfolg hat, das werden seine Landsleute vor allem an der Entwicklun­g der Arbeitslos­igkeit messen. Die Quote liegt derzeit fast doppelt so hoch wie in Deutschlan­d. Sollte es Macron gelingen, sein Reformprog­ramm im Wesentlich­en umzusetzen, könnte die französisc­he Wirtschaft jedes Jahr um rund einen halben Prozentpun­kt zusätzlich wachsen und damit endlich auch neue Jobs schaffen. Es wäre die ersehnte Trendwende – und vielleicht sogar der Beginn einer spektakulä­ren ökonomisch­en Aufholjagd.

Macron könne Frankreich „in ein goldenes Jahrzehnt führen“, glaubt Holger Schmieding, Chefvolksw­irt bei der Berenberg-Bank. Mittelfris­tig hält er es sogar für denkbar, dass Frankreich ökonomisch an Deutschlan­d vorbeizieh­t – sollte der Reformschw­ung unter Macron anhalten, während sich deutsche Politiker weiter auf den Lorbeeren der Schröder-Jahre ausruhen. Viel hängt aber davon ab, ob Macron der französisc­hen Politik ihr wirtschaft­sfeindlich­es Image nehmen kann, und ob er die Staatsfina­nzen endlich in Ordnung bringt. Das Experiment hat begonnen.

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