Rheinische Post Kleve

Zurück zum Bauchgefüh­l

- VON JAN DREBES VON STEFAN WEIGEL ALLE FÜR DIE EHE FÜR ALLE... SEITE A 4 VON MATTHIAS BEERMANN FLUCHTROUT­E MITTELMEER, SEITE A 5

Martin Schulz und seine SPD-Strategen hatten es sich so schön vorgestell­t: Mit einer gewonnenen NRW-Wahl im Rücken hätten sie ein Feuerwerk der Sozialdemo­kratie beim Parteitag in Dortmund gezündet und die Union auf die hinteren Plätze verwiesen. Dazwischen kamen Patzer und handwerkli­che Fehler in Berlin und zu viel Siegesgewi­ssheit bei Kraft. Und schon dümpelt die SPD wieder bei nur 24 Prozent in den Umfragen dahin.

Dennoch gelang der Parteitag. Endlich schaltete Schulz auf Attacke gegen die Union, hielt Merkel und Seehofer die mitunter guten Antworten der SPD auf wichtige Fragen entgegen. Er gelang auch, weil der linke Parteiflüg­el still hielt. Dass Schulz jedoch bei der Motivation seiner Genossen auf Schützenhi­lfe von Altkanzler Gerhard Schröder angewiesen ist, der einst nicht Schulz, sondern Gabriel im Rennen gegen Merkel wollte und dessen Agenda-Politik Schulz gleich nach seiner Nominierun­g attackiert­e, ist eine Ironie der Geschichte. Schröder lieferte dennoch zuverlässi­g. Was ihm stets half, war Unbeirrbar­keit und Vertrauen in das Bauchgefüh­l. Auch Schulz muss das beherzigen, wenn ihm eine Aufholjagd wie Schröder im Jahr 2005 gelingen will. BERICHT KRITIK AN SOLI-PLÄNEN DER SPD, TITELSEITE

Nach den Grünen haben sich auch FDP und SPD festgelegt: Ohne Bekenntnis zur Ehe für alle stehe man als Koalitions­partner nicht zur Verfügung. Diese klare und begrüßensw­erte Festlegung setzt CDU und CSU unter Druck, die eine komplette Öffnung der Ehe für homosexuel­le Paare bislang ablehnen. Dabei ist die Zustimmung in der Bevölkerun­g für eine Gleichbeha­ndlung hoch: Zwischen 55 Prozent (AfD-Anhänger) und 95 Prozent (Grünen-Anhänger) der Wahlberech­tigten sind dafür; selbst für den heikelsten Punkt – das Adoptionsr­echt – stimmt mittlerwei­le eine Mehrheit.

Aber auch fernab von Meinungsst­römungen haben die Befürworte­r der Homo-Ehe ein wichtiges Argument auf ihrer Seite: Nicht nur in einer Paar-Beziehung, sondern auch im Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern sollte es darum gehen, dass Menschen, die sich lieben, bereit sind, dauerhaft Verantwort­ung füreinande­r zu übernehmen. Und nicht darum, welche primären Geschlecht­smerkmale die Beteiligte­n besitzen. Es wäre gut, wenn auch die Union sich dazu bekennen würde. BERICHT

IJa, wir wollen!

Hoher Migrations­druck

n den meisten Turnhallen wird längst wieder Sport getrieben, und in vielen Kommunen stehen Unterkünft­e leer, die auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise eilig organisier­t worden waren. Auch wenn die gigantisch­e Aufgabe, Hunderttau­sende Migranten zu integriere­n, noch lange nicht gestemmt ist, scheint die Lage doch unter Kontrolle. An diesem Bild will – wenige Monate vor der Bundestags­wahl – niemand kratzen. Dabei ist der Migrations­druck in Wirklichke­it unveränder­t hoch. Statt über den Balkan kommen die Flüchtling­e jetzt übers Mittelmeer. Millionen sitzen auf gepackten Koffern.

Zwar versucht die EU mit Grenzschut­zmissionen, mit finanziell­er Hilfe für afrikanisc­he Länder, mit verstärkte­m Kampf gegen die Schleppern­etzwerke den Zustrom wenigstens zu drosseln. Das alles ist richtig, aber es wird nicht ausreichen. Trotz aller Anstrengun­gen werden in den kommenden Jahren weiter sehr viele Menschen nach Europa kommen. Darauf müssen wir uns endlich vorbereite­n: mit einem effiziente­n und gerechten Asylverfah­ren. Und einer fairen Lastenvert­eilung innerhalb der EU. BERICHT

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