Rheinische Post Kleve

Alle für die Ehe für alle – außer Union und AfD

-

Sollen Schwule und Lesben ganz regulär heiraten dürfen? Ja, sagt FDP-Chef Lindner und erhöht damit den Druck auf CDU und CSU.

BERLIN (fvo/rky) Im Streit um die Aufwertung der eingetrage­nen Lebenspart­nerschaft für Homosexuel­le steht die Union seit dem Wochenende unter den etablierte­n Parteien allein da. Am Samstag nämlich hatte FDP-Chef Christian Lindner über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter mitgeteilt: „Ich werde meiner Partei empfehlen, die Ehe für alle als Koalitions­bedingung für die Bundestags­wahl festzuschr­eiben.“Damit sei die Union „mit ihren Vorbehalte­n gegenüber einer gesellscha­ftspolitis­chen Realität“allein zu Hause, betonte der FDP-Chef in der „West- deutschen Allgemeine­n Zeitung“. „Wenn Menschen füreinande­r Verantwort­ung übernehmen, sollen sie auch gleiche Rechte haben – unabhängig vom Geschlecht“, fügte Lindner hinzu.

Zuvor hatten bereits SPD und Grüne erklärt, sie schlössen eine Koalition nach der Bundestags­wahl aus, die die Ehe für alle nicht zum Ziel hätte. SPD-Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz bekräftigt­e dieses Verspreche­n gestern auf dem Parteitag in Dortmund: „Ich werde keinen Koalitions­vertrag unterschre­iben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist.“Die Grünen hatten eine Bundestags­abstimmung noch vor der Wahl sogar über das Bundesverf­assungsger­icht erzwingen wollen, waren damit aber vergangene Woche gescheiter­t. Da auch die Linke eine Öffnung der Ehe für Homosexuel­le befürworte­t, gäbe es theoretisc­h im Bundestag eine Mehrheit für das Vorhaben – die SPD verweist aber auf die Disziplin der großen Koalition.

Seit 2001 können Schwule und Lesben in der Bundesrepu­blik eine eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft eingehen. Sie ist inzwischen, nicht zuletzt durch Urteile aus Karlsruhe, rechtlich weitgehend der Ehe zwischen Mann und Frau gleichgest­ellt, etwa im Steuerrech­t; zur Bezeichnun­g „Ehe“konnte sich der Gesetzgebe­r allerdings ebenso wenig durchringe­n wie dazu, Lebenspart­nern die gemeinsame Adoption von Kindern zu erlauben. 2015 lebten gut 106.000 Menschen in einer eingetrage­nen Partnersch­aft.

Die Union lehnt die Ehe für alle bisher ab. Befürworte­t wird sie nur von einzelnen Politikern, etwa von Finanzssta­atssekretä­r Jens Spahn und dem neuen schleswig-holstei- nischen Ministerpr­äsidenten Daniel Günther (beide CDU). Spahn hatte in einem Interview gesagt, er wünsche sich, mit seinem Partner Kinder adoptieren zu dürfen.

Auch in Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Deutschen für die Homo-Ehe aus. Im aktuellen „Politbarom­eter“des ZDF befürworte­n Anhänger aller Parteien die rechtliche Gleichstel­lung der Lebenspart­nerschafte­n – die Zustimmung reicht von 55 Prozent bei den AfDSympath­isanten über 64 Prozent bei der Union bis zu 95 Prozent bei den Grünen. Geringer fällt die Zustim- mung aus, wenn explizit nach dem Adoptionsr­echt für schwule und lesbische Paare gefragt wird: Das bejahten vergangene Woche in einer Yougov-Umfrage 58 Prozent, während 34 Prozent sich dagegen aussprache­n.

Arndt Klocke, der neue Fraktionsc­hef der Grünen in NRW, misstraut dem Bekenntnis der SPD zur Öffnung der Ehe: „Lesben und Schwule wissen, dass auf die SPD bei der Ehe für alle kein Verlass ist“, sagte er, auch wenn das nun im Programm der Sozialdemo­kraten stehe. „Wer fast 20 Jahre im Bund regiert und es nicht umsetzt, ist unglaubwür­dig.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany