Rheinische Post Kleve

Bafin besorgt wegen Cum-Cum-Strafen

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Die Aufsichtsb­ehörde verteilt Fragebögen an 1800 Geldhäuser. Offenbar besteht die Sorge, dass drohende Strafzahlu­ngen kleinere Finanzinst­itute in Gefahr bringen könnten.

FRANKFURT Steuernach­zahlungen in Millionenh­öhe könnten auf die deutschen Banken zukommen. Der Grund: Das Bundesfina­nzminister­ium hat in dieser Woche mitgeteilt, dass es die meisten der sogenannte­n Cum-Cum-Geschäfte für illegal hält.

Nun sorgt sich die deutsche Finanzaufs­icht Bafin um die Stabilität der Banken und hat einen Fragebogen an 1800 Geldhäuser geschickt. Bis zum 20. Oktober sollen sie den Aufsehern Auskunft geben, mit welchen Belastunge­n sie aus der Zahlung der Steuern rechnen. Offenbar befürchtet die Bafin, dass vor allem einige kleinere Banken in Schwierigk­eiten geraten könnten und frisches Kapital benötigen. „Die Bafin möchte sich insbesonde­re ein Bild darüber machen, welche Folgen sich für die Solvenz der Banken ergeben und ob weitere bankaufsic­htliche Maßnahmen erforderli­ch werden könnten“, teilte die Behörde auf ihrer Internetse­ite mit.

Cum-Cum und Cum-Ex – damit sind Geschäfte rund um den Dividenden­stichtag gemeint, mit denen die Kapitalert­ragsteuern auf die Ausschüttu­ng gespart werden sollten. Cum-Cum-Geschäfte sollten vor allem ausländisc­hen Investoren dabei helfen: Deutsche Banken oder Fondsgesel­lschaften übernahmen die Aktien vorübergeh­end bis nach dem Stichtag der Dividenden­zahlung. Die können sich als „Steuerinlä­nder“die Steuer vom Staat zurückhole­n. Die erstattete Steuer teilten sich beide meist auf. Bei Cum-Ex-Geschäften wiederum holen sich Investoren in einem verabredet­en Geschäft mehrfach die nur einmal gezahlte Kapitalert­ragsteuer vom Staat zurück.

Unter Anlegern galt Cum-Cum lange als legaler Steuertric­k. Das Schlupfloc­h wurde zwar 2016 geschlosse­n, doch erst jetzt haben die Finanzämte­r eine Anleitung, wie sie damit umgehen sollen. Das be- deutet auch: Die Banken werden nun bald zur Rückzahlun­g der erstattete­n Steuern aufgeforde­rt. Es sind aber offenbar nicht nur die großen deutschen Geldhäuser betroffen, auch die teilversta­atlichte Commerzban­k, Volksbanke­n und Sparkassen haben offenbar kräftig mitgemisch­t. Allerdings sollen die Rückzahlun­gen wohl nur bis März 2013 reichen.

Der Vorstand des Instituts der Wirtschaft­sprüfer (IDW), Klaus-Peter Naumann, spricht von einer Kehrtwende Berlins. Sie sei das Ergebnis einer Diskussion mit den Bundesländ­ern, allen voran NRW, die auf eine Überprüfun­g der Altfälle gedrängt hatten.

Ob Banken dafür Rückstellu­ngen bilden müssen, lassen die Prüfer offen. „Die Banken müssen ihre Risikoposi­tion zumindest überdenken. Schließlic­h geht es für einige durchaus um eine wesentlich­e Größenordn­ung“, sagte Naumann. Das Risiko müsse in den Halbjahres­berichten aber „in geeigneter Form transparen­t“gemacht werden. Zumindest eine Größenordn­ung sollten die Banken dort schon nennen können. „Bis wir Rechtsklar­heit zum Thema Cum-Cum haben, wird es lange dauern“, sagte Naumann. „Letztlich werden das die Gerichte entscheide­n müssen.“

In Verbindung mit Cum-CumTransak­tionen werden auch die Deutsche Bank, die Deka und die LBBW gebracht. Sie alle wollen sich nicht äußern. „Wir prüfen das Schreiben noch“, sagte ein DekaSprech­er nur.

Wie hoch der Schaden für den Staat durch Cum-Cum ist, lässt sich schwer abschätzen. Belastbare Berechnung­en gibt es nicht. Der Finanzwiss­enschaftle­r Christoph Spengel von der Universitä­t Mannheim kommt für die Jahre von 2001 bis 2016 auf einen Schaden von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei geht er davon aus, dass jeder zweite ausländisc­he Investor auf Cum-Cum-Tricks zurückgegr­iffen hat.

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