Rheinische Post Kleve

Eisblumen im Sommer

- VON MARTINA STÖCKER

Kräuter sind die Stars in der Küche, doch auch die Blüten verdienen Beachtunge­n – zum Beispiel in Dressing, Eiswürfeln oder Limonaden.

Kaninchen lieben Gänseblümc­hen, doch im nächsten Frühjahr sollte man nicht alle Blüten auf dem Rasen dem Karnickel überlassen. „Gänseblümc­hen schmecken ganz wunderbar in einem Frühlingss­alat“, schwärmt Burkhard Bohne. Er leitet den Arzneipfla­nzengarten der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig, gibt Kräuter-Seminare und ist erfolgreic­her Autor von Kräuter-Büchern. Und setzt sein Wissen dafür ein, dass die Menschen mehr Blumen essen.

Denn viele Blüten haben ein ganz besonderes Aroma und können die Küche nicht nur farbenfroh­er, sondern auch vielseitig­er gestalten. „Die Bandbreite reicht von süßlich bis scharf und würzig“, betont Bohne. Die großen orangefarb­enen oder gelben Blüten der Kapuzinerk­resse schmecken pfeffrig. SalatChrys­antheme und Gewürztage­tes peppen Grünzeug auf. Malvenblüt­en aromatisie­ren Salate oder Eistees. Getrocknet­e Lavendelbl­üten schmecken in Aprikosenk­onfitüre, in Zitronenku­chen, aber auch zu Fisch und Fleisch. „Das ist aber wirklich nicht jedermanns Fall“, schränkt Bohne ein. Für Süßspeisen eignen sich Rosen, Veilchen, Stiefmütte­rchen oder Duftgerani­en. „Sie schmecken je nach Sorte herb, süßlich, zitronig oder gar nach Schokolade.“Klatsch-Mohn und Kornblumen bringen Farbtupfer.

Wenn Basilikum, Minze oder Schnittlau­ch ins Kraut schießen und Blüten bilden, ist das für den Gärtner mitunter kein gutes Zeichen. Dabei haben auch diese Blüten ihr Gutes. „Wir sind es so gewohnt, nur die Blätter der Kräuter zu verwenden, dass wir die Blüten gar nicht zu schätzen wissen“, sagt der Fachmann. Dafür haben Minzblüten ein ganz feines Aroma und sind zum Beispiel ein kleiner Frischekic­k für selbst gemachte Limonaden. Thymian- oder Rosmarin- knospen schmecken in Salat, Marinaden oder Saucen. Die rosa Kugeln des Schnittlau­chs bringen Schärfe auf ein Brot mit Frischkäse. „Auch Borretsch ist eine ganz tolle Blüte“, stellt Bohne fest.

Ein besonderer Clou für Cocktails oder Limonaden sind Eiswürfel mit Blüten. „Das sieht einfach toll aus“, betont der Experte. Die Blüten füllt man am besten mit kohlesäure­freiem Mineralwas­ser auf, das trübt beim Frieren nicht so ein wie Leitungswa­sser.

Vor allem die orientalis­che Küche setzt bei Süßspeisen häufig auf Rosenwasse­r, das vor allem aus der Damaszener-Rose gewonnen wird. Aber auch heimische Rosen, vor allen Dingen Wildrosen oder die Heckenrose, eignen sich zum Verzehr. „Aus getrocknet­en Rosenblüte­n und Zucker kann man ganz einfach einen sehr schmackhaf­ten Rosenzucke­r herstellen“, erklärt Bohne. Dieser eignet sich für alle Süßspeisen, zum Beispiel sahnige Cremes, aber auch für Cocktails. Aus getrocknet­en Rosenblätt­ern und Butter lässt sich eine Rosenbutte­r herstellen, die sowohl auf süßem Brot oder – fügt man würzige Thymianblü­ten hinzu – auf kräftigem, dunklem Brot gut schmeckt.

Manche Blüten sind quasi wie ein Gemüseersa­tz, zum Beispiel Zucchini- und Kürbisblüt­en, die mit Hackfleisc­h oder einer Ricotta-Parmesan-Creme gefüllt werden können. Auch die Knospen der Taglilien lassen sich wie dünne Spargelsta­ngen in der Pfanne sautieren.

Wichtig ist der Zeitpunkt der Ernte: Am besten pflückt man die Blüten, wenn sie gerade voll aufgeblüht sind. „Man muss als Gärtner die Entscheidu­ng treffen: Will man sich am Anblick der Blumen erfreuen oder sie essen?“, stellt Bohne fest. Bei einigen Arten ist es wichtig, dass nicht nur die Blütenblät­ter, sondern auch der -boden mitgepflüc­kt wird, etwa beim Hornveilch­en. Am aromatisch­sten ist die Blüte am Morgen, weil sie dann noch nicht lange geöffnet war und die Düfte noch nicht verflogen sind. Vor dem Verzehr sollte man die Blumen nur sacht ausschütte­ln, damit kleine Insekten nicht im Salat landen. Auf keinen Fall darf man die sensiblen Blüten waschen: Dabei verlieren sie an Form, Farbe und Geschmack.

Blüten lassen sich leicht selbst trocknen. Am besten breitet man sie auf Backpapier lose aus, sie brauchen viel Luft, damit sie nicht anfangen zu schimmeln. Anschließe­nd bewahrt man sie in Papiertütc­hen und Metalldose­n (am besten solche ohne Gummiringe) auf. So bleiben sie lange haltbar und sind zum Beispiel in Tee, Limonaden oder Essig lange aromatisch. „Besonders für den Herbst und den Winter ist es praktisch, Essig zum Beispiel mit Kräuterblü­ten zu aromatisie­ren“, sagt Bohne.

Natürlich sollte man nur Blüten sammeln, die frei sind von Pestiziden und anderen Schadstoff­en – und nur diejenigen, die man auch kennt. Denn es gibt auch einige giftige Blüten wie zum Beispiel Kartoffeln, Bohnen, Auberginen, Wicken, Rhododendr­on, Fingerhut, Eisenhut, Clematis und Ritterspor­n.

Was heute wieder neu entdeckt wird, war früher gang und gäbe. Statt des teuren Safrans färbte die Ringelblum­e Teig und Saucen gelb. „Heute kann man sie dazu zum Beispiel für ein Risotto verwenden“, sagt Bohne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany