Rheinische Post Kleve

RP-SERIE UNSERE SEELSORGER (47) Der Pfarrer als Bürgermeis­ter

- VON WERNER STALDER

Pater Wilhelm Vollmerig wirkte von 1944 bis 1946 in den Pfarren St. Willibrord Hassum und St. Petrus Hommersum. Er wurde im Alter von 46 Jahren auf dem Klosterfri­edhof in Hiltrup beigesetzt.

GOCH-HASSUM Pater Wilhelm Vollmerig, Missionar vom Heiligsten Herzen Jesu, geboren am 8. August 1904 in Hamm, betreute in den schweren Tagen der Evakuierun­g, des Frontüberg­anges und der Zeit der Besetzung des Dorfes durch alliierte Truppen von 1944 bis 1946 die Pfarreien St. Willibrord Hassum und St. Petrus Hommersum.

„Pater Vollmerig war wie ein tröstender Engel, der sich der verlassene­n Herde

annahm“

Zitat aus dem Nachruf des Paters

Um die Belange der Bevölkerun­g zu vertreten, war er von der Militärreg­ierung zum Bürgermeis­ter von Hassum, Hasselt und Uedem eingesetzt. Die in einem Gebietsstr­eifen entlang der Staatsgren­ze wohnenden Menschen durften sich in der Sperrzone ab Anfang Mai bis Dezember 1945 nicht aufhalten. Täglich fuhr der Pater mit Sondererla­ubnis nach der Werktagsme­sse mit dem Fahrrad in die Orte seines Betreuungs­bezirkes und versuchte zu helfen und zu trösten, weil die Bewohner durch den Krieg vieles verloren hatten und Häuser sowie Betriebe zerstört waren. Mit den Gläubigen und den Angehörige­n betete er um die baldige Rückkehr der Wehrmachts­angehörige­n aus der Gefangensc­haft. Der Geistliche sorgte mit primitiven Mitteln für ein neues Pfarrleben in Hassum und richtete in der Volksschul­e eine Notkapelle ein, wo am 6. Mai 1945 das Kreuz in die Schule gebracht wurde und anschließe­nd der erste Gottesdien­st nach dem Frontüberg­ang stattfand.

Als Seelsorger kümmerte er sich um den Wiederbegi­nn des Schulunter­richtes. Mit einer kleinen Feier begann am 17. September 1945 wieder die Unterweisu­ng für die Kinder der vier unteren Jahrgänge. Ab dem 24. Oktober 1945 konnten auch die älteren Schüler wieder zur Schule gehen. Eine Herzensang­elegenheit war für ihn die Jugendarbe­it. In seinem Wohnzimmer trafen sich die älteren Mädchen und Jungen zu getrennten Gruppenstu­nden. Unter seiner Anleitung bastelten die Jugendlich­en Geschenke für das Weihnachts­fest 1945. Der finanziell­e Erlös wurde den Ehefrauen der noch nicht heimgekehr­ten Soldaten und den Kriegerwit­wen zur Verfügung gestellt.

Pater Vollmerig suchte für die Jugend eine Stätte für die gemeinsame Arbeit, weil das Pfarrheim zerstört war. Die Idee, die im Eigentum der Gemeinde Hassum stehende alte Windmühle als Jugendheim einzuricht­en, fand Anklang, wurde jedoch später nicht realisiert. Als Superior der Genossensc­haft der Hiltruper Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu kehrte der Ordens- mann am 11. Juni 1946 zum Haus Freudenber­g bei Kleve zurück. Am Pfingstson­ntag 1946 verabschie­dete er sich von der schwergepr­üften Gemeinde, die sich dankbar an seine seelsorgli­che Tätigkeit als Priester und Bürgermeis­ter erinnerte.

Am 6. Juni 1948 wurde der Grundstein zur Notkirche des heiligen Willibrord in Hassum gelegt. In der Urkunde wird die „tatkräftig­e Förderung durch den Superior des Klosters Freudenber­g, Wilhelm Vollmerig, des ehemaligen Seelsorger­s in schwerster Zeit“, gewürdigt.

Sein großer Verdienst um den Niederrhei­n war es, dass er der Landjugend in der Landvolksh­ochschule die Tore des Hauses Freudenber­g öffnete und damit ein Weg- bereiter neuen christlich­en Lebens wurde. An den Folgen eines Motorradun­falles in der Nähe von Haus Freudenber­g starb der Pater und wurde am 31. Oktober 1950 auf dem Klosterfri­edhof des Mutterhaus­es in Hiltrup beigesetzt. In einem Nachruf heißt es: „Pater Vollmerig war wie ein tröstender Engel, der sich der verlassene­n Herde annahm. Er war überall zu finden, half überall in leiblicher und seelischer Not.“

„Leider erinnert kein Gedenkstei­n an seine Tätigkeit in Hassum, obschon wir ihm viel zu danken haben“, sagt Johann Geurtz (89), der das Porträt des treuen Seelsorger­s in dem Heftchen „Brunnenech­o“des Heimatgesc­hichtliche­n Arbeitskre­ises der Nachwelt erhalten hat.

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FOTO: NN Pater Vollmerig am 6. Juni 1948 bei der Grundstein­legung für die Notkirche in Hassum.

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