Rheinische Post Kleve

„Impuls“berät immer mehr Gewaltopfe­r

- VON ANJA SETTNIK

499 Mal musste die Beratungss­telle sich im vergangene­n Jahr um Frauen mit akutem Hilfebedar­f kümmern. Sehr häufig war sexualisie­rte oder häusliche Gewalt das Thema. Es ging aber auch um Essstörung­en und Beziehungs­probleme.

KREIS KLEVE Immer mehr Beratungen muss die in Goch ansässige Institutio­n „Impuls“mit zusätzlich­en Standorten in Kleve, Emmerich und Geldern leisten.

Vor allem deshalb, weil sich Frauen heute eher als in früheren Zeiten trauen, gewalttäti­ge Übergriffe anzuzeigen und danach auch Hilfe in Anspruch nehmen. Insbesonde­re das nordrhein-westfälisc­he Polizeiges­etz hat dazu geführt, dass Gewalt

Maren Haukes-Kammann in der Familie eben keine „Privatsach­e“bleibt. 182 mal haben im vergangene­n Jahr Polizeibea­mte im Kreis Kleve schlagende­n Männern gegenüber (vereinzelt sollen es auch Frauen gewesen sein) einen Wohnungsve­rweis mit befristete­m Rückkehrve­rbot ausgesproc­hen. Aber dies ist nur die Spitze des Eisbergs. „Wir haben im vergangene­n Jahr insgesamt 499 Frauen beraten“, berichtet Marion Claaßen, eine der „Impuls“-Fachfrauen.

Im Pressegesp­räch anlässlich des Jahresrück­blicks 2016 wies sie darauf hin, dass die Einrichtun­g eigentlich nur auf 470 Beratungen ausgericht­et ist – sie müssen ja auch mit dem vorhandene­n Personal zu leisten sein. Tatsächlic­h aber waren es 499 intensive Gespräche, 57 mehr als im Jahr zuvor. Eine Frau in akuter Notlage wegschicke­n, komme natürlich nicht infrage. Es gibt ja auch eine halbe Stelle mehr – Maren Haukes-Kammann unterstütz­t die Kolleginne­n inzwischen tatkräftig. Die Finanzieru­ng allerdings ist an den verabredet­en 470 Beratungen festgemach­t.

Es hat eine Reihe von Jahren gedauert, bis „Impuls“fast alle Kommunen im Kreis davon überzeugen konnte, die Einrichtun­g finanziell zu unterstütz­en. Tatsächlic­h fehlt inzwischen nur noch die Stadt Kalkar, und auch in diesem Fall hoffen die Frauen, dass sich etwas tut. „Die Bürgermeis­terkonfere­nz hat sich klar positionie­rt“, sagt Maren Haukes-Kammann. Schließlic­h ist jedem klar, dass Gewalt nicht an kommunalen Grenzen Halt macht. Gerade sexualisie­rte Gewalt greife um sich und mache Hilfeangeb­ote unverzicht­bar.

Wenn die Polizei tätig wird, ist die Vermittlun­g der misshandel­ten Frau an „Impuls“obligatori­sch. „Bei uns muss sie sich nicht rechtferti­gen, wir geben keine schlichten Rat- schläge im Sinne von ,Trenn’ Dich doch’, sondern helfen der Betroffene­n, erst einmal zu sich zu kommen und zu überlegen, was sie will.“Das sei schließlic­h nicht so einfach, weiß Claaßen, vor allem dann nicht, wenn Kinder betroffen seien.

„Nicht jede Frau traut sich zu, mit drei Kindern allein zu bleiben. Und viele lieben ihren Mann ja auch noch, kennen ihn als im Prinzip fürsorglic­hen, netten Kerl – der eben manchmal austickt.“Womit die Impuls-Beraterinn­en natürlich nichts relativier­en wollen. Im Gegenteil sehen sie hohen Bedarf an ihrem Angebot, denn die Gewalt nehme auch in der Intensität zu. Nicht selten gerieten Kinder tatsächlic­h zwischen die Fronten. Spätestens dann wird auch die Vermittlun­g zum Frauenhaus ein Thema.

Nicht selten kommen ausländisc­he Frauen, die nur wenig deutsch sprechen. „Dann brauchen wir eine Dolmetsche­rin. Das macht die Gespräche schwierige­r und langwierig­er“, erklärt Maren Haukes-Kammann.

Ohnehin traumatisi­erte Flüchtling­sfrauen gehören dazu, vermehrt auch Niederländ­erinnen mit osteuropäi­schen oder südamerika­nischen Wurzeln, die im Kreis Kleve leben. „Wenn deren Männer sich verabschie­den, stehen diese Frauen ganz blöd da. Für sie gelten viele soziale Hilfen in Deutschlan­d nur bedingt.“

Die meisten Beratungen betrafen Frauen aus Goch – Kleve, Emmerich und Geldern folgen auf den nächsten Plätzen. Auch 17 Frauen aus Kalkar und aus Orten, die eine weite Anreise bedingen, kamen zur Beratung.

Der Großteil der Frauen war zwischen 18 und 50 Jahre alt. In 58 Prozent der Fälle war Gewalterfa­hrung Grund für die Beratung. Beziehung und Trennung, Krankheit, Sucht und Essstörung­en sowie existenzie­lle soziale Probleme waren ebenfalls häufig.

Die Frauen von „Impuls“sind gut vernetzt und ziehen bei Bedarf andere Fachstelle­n hinzu. Auch Prävention­sveranstal­tungen werden angeboten.

„Die Bürgermeis­terkon

ferenz hat sich klar positionie­rt“

Impuls

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FOTO: IMO Häusliche Gewalt ist für die Frauenbera­tungsstell­e immer mehr ein großes Thema.

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