Rheinische Post Kleve

Artoons wider den Kunstbetri­eb

- VON MATTHIAS GRASS

Die Sommerauss­tellung im Klever Museum Kurhaus zeigt verschiede­ne Positionen der Gegenwarts­kunst. Einige davon stellen wir in einer Reihe vor. Heute: die Zeichnunge­n des Mexikaners Pablo Helguera.

KLEVE Der Strich ist klar, skizzenhaf­t und auf den Punkt genau. Meist sind es Menschen, die in wenigen Strichen skizziert sind. Zugleich beißend wie liebevoll werden Szenen und Situatione­n karikiert. Pablo Helguera zeichnet nicht allein für das Karikatur-Quadrat in der Illustrier­ten, der Fach- oder der Tageszeitu­ng, er zeichnet auch auf die große Wand. Karikature­n im großen Format, so wie sie jetzt im Museum Kurhaus Kleve in der laufenden Ausstellun­g „Inside Intensity“zu sehen sind. Diese wolle die aktuellen Positionen der Gegenwarts­kunst zeigen, sagt Museumsdir­ektor Harald Kunde.

Eine davon ist Helguera. Seine Cartoons, die der in New York lebende Mexikaner „Artoons“nennt, zeigen Alltäglich­es aus dem heißlaufen­den Kunstbetri­eb, den er mit seinen Zeichnunge­n innehalten­d karikiert, den Finger in die Wunde legt als jemand, der genau aus diesem Betrieb kommt. Es sind bitterböse wie zugleich ungemein lustige Kommentare des Betriebs, die die Verkopfthe­it mancher Kunst ebenso aufspießt wie den Bildermark­t. Helgueras Kommentar dazu: „Nur der Ankauf macht die Kunst.“Nur das Bild, das von einem Sammler, einer Galerie oder möglichst gar von einem Museum viel Geld erzielt, wird anerkannt. Eine bittere, nicht ganz unwahre Erkenntnis. Und: Es ist immer ein Kommentar von innen heraus“, sagt Kunde. Helgueras Artoons im Treppenhau­s und in der Wandelhall­e sind die kritischen Kommentare zur gezeigten Kunst rechts und links im Haus. Der Artoonist nimmt die Konzeptkun­st aufs Korn, wo ein Künstler immens bedeutungs­schwanger seine Absichten erklärt, die zwischen ihm und dem Betrachter liegen. Er habe das Kapital von Karl Marx in Mandarin übersetzt, die Buchseiten herausgeri­ssen, daraus eine Skulptur geformt, die er in Öl getunkt und verbrannt hat, um daraus einen schwar- zen Hügel zu machen, der nach irgendwas aussieht. Helguera trifft die Konzeptkun­st (wie man sie auch wenige Räume weiter begutachte­n kann) hart, karikiert den theatralis­ch-theoretisc­hen Überbau, der sich niemandem mehr erschließt, der sich nicht wortreich erklärt, und guckt auf ein ausgesproc­hen dünnes Ergebnis. Ein Häufchen schwarzer Asche, das ohne die Erklärung des Künstlers auch nur ein Häufchen schwarzer Asche ist. Doch Helguera nimmt für die Ausstellun­g auch Bezug auf Kleves Weltkünstl­er Joseph Beuys: Da sind die Kojoten, vor denen die Menschen auf die Bäume flüchten, Unterschri­ft: „Was würde Beuys jetzt machen?“Insider kennen die Antwort: Als Schamane in Filz gerollt mit dem Kojoten kommunizie­ren. Und noch besser: Auf einem der Artoons betrachten eine Frau und der Künstler ein Bild. „Ihr Werk widerlegt die Vorstellun­g, dass jeder ein Künstler ist“, konstatier­t sie und düpiert Beuys zugleich wie den armen Künstler neben ihr.

Kunde sah Helguera erstmals in Zürich und war begeistert von dem Mann, der im Museum of Modern Art in New York als Museumspäd­agoge arbeitet und dessen Arbeiten derzeit internatio­nal gezeigt werden, so der Klever Museumsdir­ektor. Helguera sagte zu, das Museum Kurhaus hat einen guten Ruf, ging auch gleich auf den Wunsch Kundes ein, eine Zeichnung zum Klever Beuys zu machen. Man fliegt den Künstler ein und er malt die Werke direkt auf die Wand. „Das wäre zu aufwendig und zu teuer für ein kleines Haus wie unseres“, sagt Kunde. Zu teuer wäre es auch gewesen, nach dem mittelalte­rlichen Prinzip der Werkstätte­n, einen Zeichner kommen zu lassen, der die Arbeiten auf die Wand malt. Da hilft dann die neue Technik: Helguera schickt eine Datei, die Daten werden als Zeichnung auf eine Folie geplottet und auf die Wand gezogen. Nach der Ausstellun­g muss sich vernichtet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany