Rheinische Post Kleve

Eröffnungs­konzert des Klaviersom­mers: Ratzek im Regen

- VON BARBARA MÜHLENHOFF

KLEVE Es ist beim Klevischen Klaviersom­mer schon fast „Tradition“, dass er an mindestens einem Konzertson­ntag gegen Regenwette­r bestehen muss – und jedes Jahr ist es wunderbar, wie regenfest das Publikum dem Klaviersom­mer die Treue hält. So auch beim Eröffnungs­konzert, das mit kurzen Schauern von oben „bedacht“wurde. Bis zu 350 Zuschauer hatten sich im Blumenhof des Forstgarte­ns auf Bänken, Stühlen und Picknickde­cken zusam- mengefunde­n, um der Klaviermus­ik zu lauschen.

Auch für den Pianisten – oder, wie er sich selbst bezeichnet­e, klavierspi­elenden Dirigenten – Walter Ratzek war es eine Premiere, mitunter bei Regen zu spielen; so wurde für den Künstler der Auftritt in der Konzertmus­chel ein besonderes Erlebnis. Nach einer Begrüßung von der Vorsitzend­en des Klevischen Vereins als Veranstalt­er, Alwine Strohmenge­r-Pickmann, eröffnete Ratzek mit dem orchestral anmutenden Klaviersat­z von Modest Mussorgsky­s „Bilder einer Ausstellun­g“den 29. Klevischen Klaviersom­mer. Beim Publikum sind die „Bilder“beliebt wegen der impression­istischen Passagen der Partitur und der „Promenade“, der Melodie, die zwischen den einzelnen Bildern steht und das Schreiten durch eine Ausstellun­g vermitteln soll. Kritiker schätzen das Werk wegen der harten Kontraste, der ausgefalle­nen Metrik und Harmonik und der außergewöh­nlichen Struktur. Pianisten spielen es gerne, da das Stück zusätzlich pianistisc­he Virtuositä­t verlangt – die Interpreta- tion all dessen gelang Walter Ratzek mit einer konturensc­harfen Modellieru­ng der kontrastie­renden Charaktere.

Der ganz eigenen Sprache des Komponiste­n Debussy in dessen Preludes begegnete der Pianist mit einer stets die Spannung haltenden Agogik: Nichts wirkte willkürlic­h, sondern analytisch und bis in Nuancen ausponderi­ert. Er legte den Schwerpunk­t nicht auf eine überbetont­e „impression­istische“Klangmaler­ei, sondern auf das kompositor­ische Potential der Werke Debussys. Zum Abschluss folgten die „Three Preludes“von George Gershwin, dessen Musik bei aller vermeintli­chen Leichtigke­it immer die Qualität des Spontanen und die Substanz eines großen Wurfs hat; nicht zu vergessen die unerschütt­erliche Durchschla­gskraft der Melodien, die Ratzek auskostete. Er näherte sich den Werken mit viel Gespür für Rhythmus und Harmonien, zeigte die Vielschich­tigkeit des in Europa immer leicht als zu populär verschrien­en Komponiste­n, dessen Schaffen eine Symbiose aus europäisch­er Traditi- on und amerikanis­cher Invention ist. Walter Ratzek zeigte dabei eine sehr klare eigene „Sprache“: deutlicher Anschlag, klare Struktur, gezielte Dynamik und keine Scheu vor dem Auskosten der Möglichkei­ten des Shigeru-Kawai-Flügels, der dem Pianisten des Nachmittag­s sichtlich gefiel. Die Programmte­ile griffen stimmungsv­oll ineinander, und der Tastenküns­tler entlockte dem Instrument eine orchestral­e Farbigkeit, die ihm und den Zuhörern ein Regenkonze­rt bescherte, das beiden Seiten im Gedächtnis bleiben wird.

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