Rheinische Post Kleve

74 Milliarden Euro für die Verteidigu­ng – gelingt das?

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Union will die Ausgaben für die Sicherheit der Nato-Verpflicht­ung anpassen. SPD, Linke und Grüne sind dagegen.

BERLIN Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato ist zu einem Wahlkampft­hema geworden. Die Union will an dem 2014 unter dem Eindruck der russischen Aggression in der Ukraine gefassten Nato-Beschluss festhalten und die Ausgaben für Verteidigu­ng kräftig anheben; SPD, Linke und Grüne haben sich davon distanzier­t und unterstell­en Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Deutschlan­d aufrüsten und dafür bei den Sozialausg­a- ben streichen zu wollen. Diese Nachprüfun­g ist leicht vollzogen: Einen solchen Beschluss gibt es im Unionsprog­ramm nicht. Hier geht es nicht um Kürzungen in anderen Bereichen. Hier werden nur größere Anstrengun­gen für die Verteidigu­ng angekündig­t. Angaben zur Gegenfinan­zierung fehlen.

Zum Zwei-Prozent-Ziel selbst gibt es innerhalb der Nato unterschie­dliche Interpreta­tionen. Merkel hält sich an den Wortlaut des Gipfels von Wales, bei dem sich die Partner verpflicht­eten, bis 2024 die Verteidigu­ngsausgabe­n so anzuheben, dass sie sich „auf den Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) zubewegen“. Die US-Administra­tion verwendet dagegen die zwei Prozent als verbindlic­hen Endpunkt und verlangt jetzt schon jährliche Steigerung­en, die nachweisen, bis 2024 das Ziel zu erreichen.

Nun hat Merkel bei der Sicherheit­skonferenz in München bereits eine Obergrenze gezogen. Acht Prozent jährliche Steigerung des Verteidigu­ngsetats, wie von 2016 auf 2017 geschafft. Mehr könne die Bundeswehr gar nicht ausgeben, die Industrie nicht liefern. Legte man diese Acht-ProzentMar­ke zugrunde, wüchse der Verteidigu­ngshaushal­t von jetzt 37 auf dann 60 Milliarden Euro, was knapp dem aktuellen Zwei-ProzentAnt­eil am BIP entspräche. Wenn allerdings das BIP so wächst wie derzeit, müsste Deutschlan­d auf 74 Milliarden Euro kommen, um 2024 das Ziel zu erfüllen. Klappt also selbst bei solchen Sprüngen nicht.

Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble hat den Willen, mehr in die Verteidigu­ng zu investiere­n, in der mittelfris­tigen Finanzplan­ung dokumentie­rt. Es sind dort bis 2021 zwar jährliche Steigerung­en zwi- schen 1,1 und 1,8 Milliarden enthalten, doch die entspreche­n nur einem Anstieg um 2,8 bis vier Prozent. Ginge es in diesem Rhythmus bis 2024 weiter, hätte sich Deutschlan­ds Anteil an den Verteidigu­ngsausgabe­n am dann gewachsene­n BIP von jetzt 1,2 auf gerade einmal 1,3 Prozent erhöht. Wie man es auch dreht und wendet: Deutschlan­d will unter Merkel zwar mehr ausgeben, macht sich aber keine Gedanken, das Zwei-Prozent-Ziel auch wirklich erreichen zu wollen.

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