Rheinische Post Kleve

„Dirty Harry“wird 60

- VON CHRISTOPH DRIESSEN UND JÖRG ISRINGHAUS

Vor drei Jahren verschwand Harald Schmidt vom Bildschirm. Seither macht der Zyniker sich rar, was öffentlich­e Auftritte betrifft. Den Menschen hinter der TV-Kunstfigur hat der Schwabe geschickt verborgen. Eine Spurensuch­e.

KÖLN Um Harald Schmidt ist es still geworden. Ausgerechn­et. Der Mann, der zu allen Wechselfäl­len des Lebens eine meist böse wie intelligen­te Pointe zu bieten hatte, schweigt sich aus. Gut, er schreibt eine Kolumne für Spiegel Daily, dies aber weitgehend unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Ansonsten herrscht, bis auf wenige Ausnahmen, Funkstille. Vielleicht, weil seine Karriere, die lange Zeit von Erfolg zu Erfolg führte, irgendwann versandete. Schmidts Abschied vom Fernsehen war einer auf Raten, in Teilen fast eine (Selbst-)Demontage. Von einer Rückkehr ins TV ist keine Rede. Der ehemalige LateNight-König ist heute Privatier, beinahe sogar Rentner: Am Freitag feiert Schmidt seinen 60. Geburtstag.

Man muss das nicht gut finden, wie Schmidt sich und was er produziert hat. Dafür hat er zu viele Fehler gemacht, hat oft zu selbstherr­lich, zu selbstverl­iebt agiert, hat sich mit mauen Partnern geschwächt oder gute verschliss­en. Oder er hat sich faul auf seine Gagschreib­er verlassen anstatt aufs eigene Improvisat­ionstalent. Dennoch hat Schmidt dem deutschen Humorferns­ehen seinen Stempel aufgedrück­t. Spätestens mit „Schmidtein­ander“hat er den Zyniker salonfähig gemacht. „Da ist ja ‘ne Kunstfigur“, hat er mit Blick auf „Dirty Harry“selbst eingeräumt. „Überhaupt, auch im Leben: Ich hab’ mir so ‘ne Figur erfunden.“Wer aber ist der Mann dahinter?

Es gibt auf diese Frage recht vernichten­de Antworten ehemaliger Kollegen. „In Wirklichke­it ist Schmidt noch gemeiner als auf der Bühne“, hat Manuel Andrack, sein Sparring-Partner aus der „Harald Schmidt Show“, gesagt. Sein Sidekick aus „Schmidtein­ander“, Herbert Feuerstein, stellte gar die These auf: „Schmidt ist kein Mensch.“

Leute, die Schmidt privat kennen und sich über ihn äußern, findet man in Köln so gut wie nicht. „Er ist nicht immer so wie im Fernsehen“, sagte mal Elke Heidenreic­h, seine Nachbarin aus dem Villenvier­tel Marienburg. Man könne sich ganz normal und unironisch mit ihm unterhalte­n, versichert­e sie.

Ein einziges Mal hat Schmidt in den letzten Jahren in einem Interview etwas mehr von sich verraten. Das war 2013 in der WDR-Radiosendu­ng „Mon Talk“. Hobbys habe er keine, stellte er klar, dafür fünf Kinder, über die er sich auf keinen Fall beklagen wolle: „Ich genieße das ja, das ist Trubel.“Er brauche auch kein Arbeitszim­mer, er schreibe notfalls mitten im Chaos. „Ich hör’ ja auch an der Art, wie geschrien wird, ob ich eingreifen muss.“

Seine Liebe zur Musik – er ist studierter Kirchenmus­iker – hat er auf die Kinder übertragen: Sie spielen Klavier, Cello und Geige. Schmidt erzählte auch über seine Kindheit im schwäbisch­en Nürtingen. Wie er als 15-Jähriger mit seinen Eltern auf dem Sofa saß und ihnen aus der „Zeit“vorlas: „Der große Bühnenscha­uspieler Harald Schmidt ...“

Über die endgültige Absetzung seiner Late-Night-Show im Jahr 2014, die nach Sat.1 und dem Ersten zum Schluss beim Bezahlsend­er Sky lief, hatte sich Schmidt in vielen Interviews betont abgeklärt geäußert. Doch bei Westermann klang das plötzlich ganz anders: „Die Schwierigk­eit ist nicht, den Erfolg zu genießen“, sondern den Abstieg „in den Griff zu kriegen“, räumte er ein. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms habe er einmal in einem Jahr zwölf Fernsehpre­ise bekommen. „Man weiß aber nicht, dass man sozusagen da jetzt gerade megamäßig angesagt ist, sondern man empfindet das einfach als normal. Und dann merkt man: Hoppla, jetzt ist es nicht mehr so, und dann dreht sich der Wind, und dann kommt die andere Seite.“

Sein Abschied vom Fernsehen – das darf man als sicher annehmen – ist ihm nicht so leicht gefallen, wie er vorgegeben hat. Darauf deutet auch eine kurze Szene in seiner letzten Sendung im Free-TV bei Sat.1 hin. Damals drehte Überraschu­ngsgast Olli Dittrich den Spieß einfach mal um und sprach Schmidt kurzerhand auf seinen erzwungene­n Abgang an. Das Ergebnis war ein Moment der Schwäche: Dem Meister der schlagfert­igen Replik fiel nichts Witziges ein. Was ihn letzten Endes nur sympathisc­h macht. Vielleicht irrt Herbert Feuerstein. Vielleicht ist Harald Schmidt doch ein Mensch.

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FOTO: SAT.1 Harald Schmidt an alter Wirkungsst­ätte, in den Kulissen seiner Late-Night-Show auf Sat.1. Ein Nachfolger, der ein ähnliches Format stemmen könnte, ist nicht in Sicht. Schmidt schließt eine Rückkehr ins TV bisher aus.

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