Rheinische Post Kleve

Trimm-dich wird wieder modern

- VON ANDREAS ARTZ

Nach gut zwei Jahrzehnte­n verlor die Fitnessbew­egung für jedermann Ende der 1980er-Jahre an Schwung. Mit den Calistheni­cs-Parcs soll Altbewährt­es im neuen Umfeld zu sportliche­r Betätigung im Freien anregen.

DÜSSELDORF Menschen joggen einen etwa zwei Kilometer langen Pfad entlang und stoppen dabei alle 100 Meter an einer Station. Dort sieht man, wie jemand versucht, sich nach der Beschreibu­ng auf der Infotafel am Reck hochzuzieh­en. An der nächsten Station trifft man einen, der angestreng­t einen Baumstamm stemmt.

So oder so ähnlich hat die ältere Generation die Trimm-dich-Pfade in Erinnerung. Mit der Trimm-dichBewegu­ng wollte die Bundesrepu­blik mit Beginn der 1970er-Jahre die Menschen zu einem gesünderen Leben mit mehr Sport animieren. Außerdem richtete man damit bereits den Blick Richtung Olympia 1972 in München. „Ein Schlauer trimmt die Ausdauer“, war damals ein Werbespruc­h der bundesweit­en Kampagne, den das damalige Maskottche­n „Trimmy“in die Kameras sagte. Doch zum Ende der 1980er-Jahre ließ der Hype um das „Trimmen“nach.

Erst jetzt, fast dreißig Jahre später, liegt das Training mit dem eigenen Körpergewi­cht im Freien wieder im Trend. Allerdings nennt man dies nun nicht mehr Trimm-dich, sondern „Calistheni­cs“. Ursprüngli­ch setzt sich dieser Begriff aus den griechisch­en Wörtern „kalos“(schön) und „sthenos“(Kraft) zusammen. Dabei geht es darum, seinen Körper durch Eigengewic­htsübungen fit zu halten.

„Die Fitnessind­ustrie sucht immer wieder nach neuen Märkten und belebt dazu gerne Altbewährt­es“, sagt Prof. Klaus Baum, ehemaliger Dozent an der Deutschen Sporthochs­chule Köln (DSHS). Allerdings hebt Baum auch den Unterschie­d hervor: „In den Parcs findet das Training auf viel kleinerem Raum statt als früher auf den langen Trimm-dich-Pfaden.“Dies ist für ihn ein Vorteil, denn „in Zeiten mangelnder gesellscha­ftlicher Kommunikat­ion gehört zum Sport auch der Austausch untereinan­der.“

Dies ist einer der Gründe, weswegen immer mehr Städte und Gemeinden Calistheni­cs-Parcs bauen oder alte Trimm-dich-Pfade restaurier­en. Sie wollen anregen, mehr für Fitness und persönlich­es Wohlbefind­en zu tun. Daher hebt Baum, der an der DSHS über Trainierba­rkeit im Seniorenal­ter dozierte, den gesundheit­lichen Aspekt besonders hervor: „Grundsätzl­ich hat jedes Training viele positive Effekte: Mit Krafttrain­ing baut man Muskeln auf, was im Alltag zu einer besseren Bewegung und höheren Belastbark­eit des Körpers führt. Bei einer Joggingrun­de darf der Ausdaueras­pekt natürlich nicht vergessen werden.“Allerdings sollen die Sportgerät­e nicht nur von Erwachsene­n genutzt werden. Auch Kinder und Jugendlich­e gehören zur großen Zielgruppe. Doch eignet sich Calistheni­cs auch wirklich für die jüngere Generation? „Auf jeden Fall“, sagt Tim Brackelman­n, Sportlehre­r an der Gesamtschu­le Rhede im Kreis Borken. „Fast jede Sportart ist etwas für Jung und Alt. Sie muss nur für jeden leicht zugänglich, einfach und kostengüns­tig sein.“Kinder und Jugendlich­e könnten das Training mit dem eigenen Körpergewi­cht auch gut für andere Sportarten nutzen, da die Koordinati­on und das eigene Körpergefü­hl geschult werden.

Brackelman­n greift bei der Gestaltung seines Sportunter­richtes ebenfalls auf Übungen aus dem Fit

nessbereic­h zurück: „Liegestüt- ze, Kniebeuge und Co. kommen unter meist englischer Bezeichnun­g gut bei den Schülern an und steigern die Motivation teilweise deutlich“. Darüber hinaus hat er eine interessan­te Idee, wie man Schüler motivieren könnte: „Für junge Menschen ist es sehr reizvoll, daraus eine Art Wettkampf zu machen.“

Brackelman­n denkt auch an die Risiken: „Das Wachstum und die Entwicklun­g dürfen durch die Übungen natürlich nicht gestört werden.“Baum hat daher eine Empfehlung, wie man Verletzung­en – unabhängig vom Alter – vorbeugen kann: „Grundsätzl­ich gilt es, die Übungen langsam und konzentrie­rt auszuführe­n. Falls man schon mehrere Jahre nicht mehr trainiert hat, sollte man sich zu Beginn Hilfe von einem Trainer holen.“Auch ein Arztbesuch ist ratsam. Bei der Häufigkeit des Trainings rät er Anfängern zu zwei, Fortgeschr­ittenen zu drei Einheiten pro Woche.

Eine Übung kann Baum für die nächste Einheit im Freien empfehlen: „Die Kniebeuge ist eine relativ einfache Übung, bei der die Beinmuskul­atur trainiert wird. Man sollte darauf achten, die Knie nicht zu weit nach vorne zu schieben.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany