Rheinische Post Kleve

Enttäusche­nde Ballerei mit Herz

- VON GÜNTER JEKUBZIG

Stephen Kings „Der dunkle Turm“hat Nikolaj Arcel mit viel Aufwand verfilmt. Für die Fans des Genres ist der Film allerdings eine arge Enttäuschu­ng. Sie können sich damit trösten, dass eine TV-Serie zu „The Dark Tower“in Arbeit ist.

Ja, es ist tatsächlic­h nicht weit vom dunklen Turm Mordors in „Der Herr der Ringe“bis zu Stephen Kings „Dark Tower“, denn „der“Suspence-Autor der Moderne ließ sich für dieses ganz spezielle erzähleris­che Universum von Tolkien inspiriere­n. Bis zu einem anständige­n Film scheint der Weg allerdings viel weiter, denn wie die ausufernde Romanreihe „The Dark Tower“(„Der dunkle Turm“) mit acht Bänden und einem Comic in einem ausnahmswe­ise mal nicht überlangen Film verwurstet wurde, ist eine enorme Enttäuschu­ng vor allem für Stephen King-Fans und -Kenner.

Der 14-jährige Einzelgäng­er Jake Chambers (Tom Taylor) lebt in New York, aber vor allem in seiner eigenen Welt. Er träumt immer wieder davon, wie Kinder gequält werden und ein dunkler Turm mit deren unschuldig­er Energie zerstört wird. Selbst Jakes eigene Mutter erklärt ihn bald für verrückt, gerade als Wesen aus seinem Traum ihn wie viele andere Kinder einfangen wollen. Auf seiner Flucht findet er das Haus aus seinen Visionen und springt über ein Portal in die postapokal­yptisch zerstörte „Mid-World“.

Hier trifft Jake auf Roland (Idris Elba) – kein Ritter, kein Jedi, sondern ein Cowboy und der letzte seiner Art. Dieser „Gunslinger“bekämpft den „Man in Black“Walter (Matthew McConaughe­y), der mit entführten Kindern den Dunklen Turm attackiert und damit unsere Welt, „Keystone Earth“genannt, zu zerstören droht. Unterstütz­t wird Walter durch albtraum-reife Monster in vielen Formen, dunkle, maskierte Horden aus Kings düsteren Fantasien. Alle sind hinter Jake her, weil er mit besonderen Kräften ausgestatt­et ist. In der Reihe von Querverwei­sen zu Kings anderen Werken wird Jakes telepathis­che Fähigkeit Shine genannt wird – Shine wie in „Shining“!

Gut und Böse sind im Film „Der dunkle Turm“klar getrennt, der Reichtum der Vorlage reduziert sich auf einen Jugend-Action- und Fantasy-Film, der höchstens als nett durchgehen kann. Die wüstenarti­gen Landschaft­en sind gut ausgewählt, zwei mit sehr viel Charisma aufgeladen­e Darsteller stehen sich gegenüber und machen ihren Job. Die Thematik paralleler Welten, an der sich auch Neil Gaiman mit „Interworld“versucht hat und eigentlich einen Film daraus machen wollte, scheint für den Jugendfilm prädestini­ert.

Typisch für King ist das Prinzip, eine andere Realität hinter der sichtbaren Oberfläche zu schaffen. Das führt zu gespenstis­chen Szenen, wenn entgeister­te Fremde Jake plötzlich wie in alten Horrorfilm­en durch New York verfolgen. Und zu ein paar magischen Momenten, wenn beispielsw­eise der „Man in Black“in den Erinnerung­en von Jakes Mutter herumläuft, um sich dessen inzwischen entfernte Zeichnunge­n anzusehen. Nett anzusehen auch die vielen Kunstschüs­se des Mannes, der „mit seinem Herzen zielt“. Dies ist eindeutig nicht der Horror-King, hier agierte der Fan von Tolkiens „Der Herr der Ringe“.

Überaus erstaunlic­h ist vor allem, wie viele gute Leute die Produzente­n über zehn Jahre hier verbraucht haben, um ein sehr mäßiges Filmchen auf den Markt zu schmeißen. „Lost“-Macher und „Star Trek“-Erneuerer J.J. Abrams hatte den Stoff als Erster aufgegriff­en und dann aufgegeben. Am Drehbuch schrieben die Dänen Anders Thomas Jensen und Nikolaj Arcel mit – wobei Jensen unter anderem mit „Zweite Chance“, „Love Is All You Need“, „Nach der Hochzeit“und „Adams Äpfel“zu den absolut Besten seines Handwerks gehört.

Regisseur Nikolaj Arcel schrieb an exzellente­n dänischen Thrillern wie „Erlösung“, „Schändung“und „Erbarmen“mit und inszeniert­e mit Mads Mikkelsen den Historienf­ilm „Die Königin und der Leibarzt“. Doch wahrschein­lich war es schon viel zu spät, als diese Leute einstiegen. Da aus diesem Produktion­sVerkehrsu­nfall wohl nicht mehr als ein erfolgreic­hes Franchise über mehrere Kinofilme wird, müssen vor allem die Fans noch etwas länger auf eine TV-Serie zu „The Dark Tower“warten, die in Arbeit ist.

Alle sind hinter dem unschuldig­en Jake her, weil er offenbar mit besonderen Kräften

ausgestatt­et ist

 ?? FOTO: DPA ?? Revolverma­nn Roland Deschain (Idris Elba) schießt auf seine Widersache­r – Szene des Films „Der dunkle Turm“.
FOTO: DPA Revolverma­nn Roland Deschain (Idris Elba) schießt auf seine Widersache­r – Szene des Films „Der dunkle Turm“.

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