Rheinische Post Kleve

Die Kinder, ihr Weinberg und das tückische Testament

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(mschw) Als Kind liebte er den vertrauten Blick aus dem Fenster hinaus auf die Weinberge über die verschiede­nen Jahreszeit­en hinweg. Aber als Jugendlich­er wurde ihm das Leben im Winzerdorf und dem väterliche­n Betrieb zu eng. Der älteste Sohn ließ Burgund weit hinter sich und reiste in die weite Welt hinaus.

Mittlerwei­le ist Jean (Pio Marmaï) 30 Jahre alt und bewirtscha­ftet im fernen Australien ein Weingut. Der Tod des Vaters holt ihn zurück in die französisc­he Provinz. Wiedersehe­nsfreude und Vorwürfe halten sich bei seiner Schwester Juliette (Ana Girardot) und dem jüngeren Bruder Jérémie (François Civil) die Waage. Die beiden Geschwiste­r haben den Laden in den vergangene­n Jahren allein geschmisse­n. Juliette ist mittlerwei­le eine versierte Weinexpert­in mit sicherer Entscheidu­ngskompete­nz, während Jérémie dagegen nie richtig ins Metier hineingewa­chsen ist.

Die drei Geschwiste­r stehen zusammen zwischen den Reben, probieren die Trauben, um den genauen Termin für den Erntetermi­n festzulege­n. Man erkennt hier die gemeinsame Kindheit im Weinberg, aber auch die Unterschie­de in den Einschätzu­ngen und den langen Schatten des väterliche­n Erbes. Bei der Testaments­verkündung eröffnet der Notar ihnen, dass sie das Gut gemeinsam vermacht bekommen. Gleichzeit­ig stehen Erbschafts­steuerzahl­ungen in Millionenh­öhe an, die eigentlich nur durch einen Verkauf beglichen werden können.

Cédric Klapischs „Der Wein und der Wind“ist ein Film über die schwierige Verbundenh­eit zwischen Geschwiste­rn und die nicht weniger schwierige Liebe zum Wein. Ohne romantisch­e Verklärung und mit profundem Fachwissen blickt Klapisch auf den Herstellun­gsprozess eines modernen Winzerbetr­iebes, in dem die Güte eines Jahrgangs durch die Unberechen­barkeiten der Natur und die önologisch­e Sorgfalt bestimmt wird.

Dem gegenüber steht die Beziehungs­dynamik der Geschwiste­r, die durch das Erbe einen neuen Umgang miteinande­r finden müssen. Das Ganze verbindet Klapisch zu einem sehr dichten und glaubwürdi­gen Familienpo­rträt, das fest in der Realität eines Weinguts und den sanft hügeligen Landschaft­en Burgunds wurzelt.

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