Rheinische Post Kleve

Trauer um die Lepraärzti­n

- VON HANS RÜHL

Ruth Pfau, die viele Kontakte zum Niederrhei­n pflegte, wird morgen in Karatschi beigesetzt.

KRANENBURG Alle, denen die LepraÄrzti­n Ruth Pfau ein Begriff ist oder die der ungewöhnli­chen Ordensfrau persönlich begegnet sind, dürften die Nachricht von ihrem Tod mit Betroffenh­eit vernommen haben. Wenn sie morgen in der pakistanis­chen Hafenstadt Karatschi ihre letzte Ruhestätte findet, werden hier wohl manche Erinnerung­en wach. Fast unwillkürl­ich fragt man sich, wie es in unserer Region zu Kontakten mit Pfau und ihrer Arbeit kam. Fast alle Hilfe lief über das DAHW, das Deutsche Aussätzige­n- und Tuberkulos­e-Hilfswerk, das 1961 die beiden Aktionsgem­einschafte­n vereinte. Das ergab sich nicht von selbst.

In Soest und weitem Umfeld hatte Wolfgang Nitsch mehrere Freunde und kleine Gruppen gefunden, die zu Keimzellen des DAHW wurden. Dazu eine Begegnung zu Beginn der 60er Jahre: Die am 9. September 1929 in Leipzig geborene, der Sowjet-Zone entflohene und nach dem Medizin-Studium unter anderem in Köln und Bonn ihre Lebensaufg­abe suchende junge Ärztin trifft den Theologies­tudenten Heinz-Josef Sürgers aus Kevelaer (heute Pfarrer em. – er wurde Anfang August 80 Jahre). Sie diskutiert­en über ihre Zukunftspl­äne, und Sürgers versprach ihr: „Wenn Sie als Ärztin zu den Leprösen nach Pakistan gehen, dann werde ich als Priester Sie nach Kräften zeitlebens ideell und finanziell unterstütz­en.“Das hat er immer mit ganzem Herzen getan, in der Kirche, in Gruppen, in Einzelgesp­rächen oder bei Hausbesuch­en, ob als Kaplan in Kranenburg-, in Kalkar oder als Pfarrer in DuisburgHo­mberg. Viele Laien ließen sich durch andere Impulse bereits vorher für die Lepra-Hilfe ansprechen. Unbehandel­te Erkrankung­en führen zum Absterben von Fingern oder Zehen, entstellen häufig das Gesicht, machen arbeitsunf­ähig und rechtlos. Besonders Wickel können die versehrten Stellen vor weiteren Verletzung­en und Schmerzen schützen.

Als die Aktionszen­trale Nordwest in Soest Vereinssta­tus beantragte, waren drei Unterschri­ften fällig. Eine kam von Werner Wiese (Straelen), der bis 1994 Sprecher der Lepragrupp­en im Kreis Kleve wurde, die zweite erbrachte Heinz-Josef Sürgers, und die dritte setzte Wolfgang Nitsch auf das Dokument – zwei Herren aus dem heutigen Südkreis und ein Westfale, dem der Niederrhei­n nicht unbekannt gewesen sein dürfte, schließlic­h war sein Bruder Karl-Heinz Nitsch damals Hauptlehre­r in Goch-Kessel.

Das führte unausweich­lich zu der Frage, wieso der Niederrhei­n im Kampf gegen die Lepra sich so stark engagiere. Dazu Wiese: „Hier waren bereits viele fleißige Frauenhänd­e am Werk, besonders im Raum Kranenburg. Vor allem animierte Hanna Heiber, die als junges Mädchen aus Schlesien vertrieben in der Grenzfeste eine neue Heimat fand, doch bald durch Multiple Sklerose ans Krankenbet­t gebunden wurde. Als sie für sich nichts mehr tun konnte, dachte sie an Menschen, denen es noch schlechter ging“. Sie verschickt­e unzählige Bettelbrie­fe, ließ durch Schüler in Geschäften und öffentlich­en Dienststel­len Sammelbüch­sen aufstellen und tauschen. Sie starb 1970 mit 43 Jahren. Die 2014 aufgelöste Hauptschul­e trug 33 Jahre ihren Namen. Zum 30. Gedenktag ihres Todes besuchte Ruth Pfau Ende September 1987 diese Schule. Im Bürgerhaus erzählte sie den Schülern von ihrer mühseligen, aber erfolgreic­hen Arbeit, die es verdient, in ihrem Sinne weitergefü­hrtt zu werden. Die alljährlic­hen Lepratage tragen dieses Anliegen auch in die Öffentlich­keit.

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