Privatschulen stärker kontrollieren
Die Privatschulfreiheit ist in Deutschland in der Verfassung verankert. Dahinter steht der Gedanke, dass der Staat nicht allein über das Schulwesen bestimmen soll. Eine möglichst große Vielfalt an Erziehungszielen und Bildungsideen soll es stattdessen geben. Des Risikos waren sich die Verfasser des Grundgesetzes dabei offenbar bewusst: dass ein paralleles, elitäres Schulsystem entstehen könnte. Eines, das Kindern aus wohlhabenden Elternhäusern vorbehalten ist. Aus diesem Grund schreibt das Grundgesetz vor, dass private Schulen nur dann zu genehmigen sind, wenn sie eine solche Abschottung nicht fördern.
Wenn Akademikerkinder aber heute schon viermal häufiger Privatschulen besuchen als Arbeiterkinder, dann spricht viel dafür, dass die soziale Abschottung längst Realität ist. Ob dafür die Höhe des Schulgeldes, die Aufnahmepraxis an diesen Schulen oder schlicht unterschiedlich ausgeprägtes Interesse der Eltern an der Bildung ihrer Kinder verantwortlich ist, ist dabei genau zu analysieren. Aufgabe der Länder ist es in jedem Fall, dafür zu sorgen, dass sich die soziale Spaltung unter den Schülern nicht vertieft. Wer gleiche Bildungschancen propagiert, darf die Privatschulen nicht vergessen. BERICHT STREIT UM PRIVATSCHULEN FÜR REICHE, TITELSEITE
FBayerisches Chamäleon
ünf Wochen vor der Wahl zeigt das bayerische Chamäleon Seehofer seine erstaunliche Wechselhaftigkeit: Die CSU macht die Obergrenze von jährlich 200.000 Flüchtlingen pro Jahr plötzlich nicht mehr ausdrücklich zur Koalitionsbedingung. Das ist eine 180-Grad-Wende, auch wenn Seehofer nach einem ARD-Interview erklärt, er sei falsch verstanden worden. Bisher hat er die Obergrenze noch immer zur Koalitionsbedingung gemacht, jetzt tut er es nicht mehr. Das ist ein politischer Sieg Merkels über ihren ewigen Widersacher aus München. Sie hat die Obergrenze stets abgelehnt. Das Asylrecht kenne keine Obergrenze, hatte sie mit Recht erklärt.
In der Sache ist Seehofer geschickt. Er sorgt vor der Wahl für mehr Geschlossenheit der Schwesterparteien und macht die Union zugleich schick für eine Koalition mit den Grünen, die die schärfsten Kritiker der Obergrenze sind. Auch inhaltlich ist diese Wende überfällig: Die Flüchtlingszahlen sind schon lange rückläufig. Wahlentscheidend sind für die Bürger längst andere Themen wie Bildung, Altersarmut und Kriminalitätsbekämpfung. BERICHT
Erdogans Achillesferse
Der deutsch-türkische Schriftsteller Dogan Akhanli, der auf Geheiß der türkischen Regierung in Spanien festgesetzt wurde, ist wieder frei. Das ist eine gute Nachricht, wenngleich Akhanli zunächst in Madrid bleiben muss. Die Türkei hat gut fünf Wochen Zeit, einen Auslieferungsantrag zu stellen und diesen zu begründen. Der Fall ist brisant, denn das Vorgehen Ankaras verschärft die ohnehin brüchige Beziehung mit Berlin. Wie geht man mit einem eigentlich befreundeten Staat um, der vor immer neuen Provokationen nicht zurückschreckt?
Die von der Bundesregierung zuletzt eingeschlagene härtere Gangart gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdogan ist ein mutiger Schritt, der zeigt: Deutschland lässt sich nicht alles bieten. Noch am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt, sie wolle den ursprünglich geplanten Ausbau der Zollunion zwischen der EU und der Türkei auf Eis legen. Den gleichen Kurs fährt auch Außenminister Sigmar Gabriel. Es ist der richtige Ansatz. Die Wirtschaft ist Erdogans Achillesferse. Floriert sie, wird Erdogan gewählt. Geht es bergab, verliert Erdogan. BERICHT ERDOGAN HEIZT KRISE MIT DER EU AN, TITELSEITE