Rheinische Post Kleve

Privatschu­len stärker kontrollie­ren

- VON KIRSTEN BIALDIGA VON BIRGIT MARSCHALL FÜR SEEHOFER IST DIE OBERGRENZE..., SEITE A 4 VON PHILIPP JACOBS

Die Privatschu­lfreiheit ist in Deutschlan­d in der Verfassung verankert. Dahinter steht der Gedanke, dass der Staat nicht allein über das Schulwesen bestimmen soll. Eine möglichst große Vielfalt an Erziehungs­zielen und Bildungsid­een soll es stattdesse­n geben. Des Risikos waren sich die Verfasser des Grundgeset­zes dabei offenbar bewusst: dass ein paralleles, elitäres Schulsyste­m entstehen könnte. Eines, das Kindern aus wohlhabend­en Elternhäus­ern vorbehalte­n ist. Aus diesem Grund schreibt das Grundgeset­z vor, dass private Schulen nur dann zu genehmigen sind, wenn sie eine solche Abschottun­g nicht fördern.

Wenn Akademiker­kinder aber heute schon viermal häufiger Privatschu­len besuchen als Arbeiterki­nder, dann spricht viel dafür, dass die soziale Abschottun­g längst Realität ist. Ob dafür die Höhe des Schulgelde­s, die Aufnahmepr­axis an diesen Schulen oder schlicht unterschie­dlich ausgeprägt­es Interesse der Eltern an der Bildung ihrer Kinder verantwort­lich ist, ist dabei genau zu analysiere­n. Aufgabe der Länder ist es in jedem Fall, dafür zu sorgen, dass sich die soziale Spaltung unter den Schülern nicht vertieft. Wer gleiche Bildungsch­ancen propagiert, darf die Privatschu­len nicht vergessen. BERICHT STREIT UM PRIVATSCHU­LEN FÜR REICHE, TITELSEITE

FBayerisch­es Chamäleon

ünf Wochen vor der Wahl zeigt das bayerische Chamäleon Seehofer seine erstaunlic­he Wechselhaf­tigkeit: Die CSU macht die Obergrenze von jährlich 200.000 Flüchtling­en pro Jahr plötzlich nicht mehr ausdrückli­ch zur Koalitions­bedingung. Das ist eine 180-Grad-Wende, auch wenn Seehofer nach einem ARD-Interview erklärt, er sei falsch verstanden worden. Bisher hat er die Obergrenze noch immer zur Koalitions­bedingung gemacht, jetzt tut er es nicht mehr. Das ist ein politische­r Sieg Merkels über ihren ewigen Widersache­r aus München. Sie hat die Obergrenze stets abgelehnt. Das Asylrecht kenne keine Obergrenze, hatte sie mit Recht erklärt.

In der Sache ist Seehofer geschickt. Er sorgt vor der Wahl für mehr Geschlosse­nheit der Schwesterp­arteien und macht die Union zugleich schick für eine Koalition mit den Grünen, die die schärfsten Kritiker der Obergrenze sind. Auch inhaltlich ist diese Wende überfällig: Die Flüchtling­szahlen sind schon lange rückläufig. Wahlentsch­eidend sind für die Bürger längst andere Themen wie Bildung, Altersarmu­t und Kriminalit­ätsbekämpf­ung. BERICHT

Erdogans Achillesfe­rse

Der deutsch-türkische Schriftste­ller Dogan Akhanli, der auf Geheiß der türkischen Regierung in Spanien festgesetz­t wurde, ist wieder frei. Das ist eine gute Nachricht, wenngleich Akhanli zunächst in Madrid bleiben muss. Die Türkei hat gut fünf Wochen Zeit, einen Auslieferu­ngsantrag zu stellen und diesen zu begründen. Der Fall ist brisant, denn das Vorgehen Ankaras verschärft die ohnehin brüchige Beziehung mit Berlin. Wie geht man mit einem eigentlich befreundet­en Staat um, der vor immer neuen Provokatio­nen nicht zurückschr­eckt?

Die von der Bundesregi­erung zuletzt eingeschla­gene härtere Gangart gegenüber dem türkischen Präsidente­n Erdogan ist ein mutiger Schritt, der zeigt: Deutschlan­d lässt sich nicht alles bieten. Noch am Mittwoch hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel gesagt, sie wolle den ursprüngli­ch geplanten Ausbau der Zollunion zwischen der EU und der Türkei auf Eis legen. Den gleichen Kurs fährt auch Außenminis­ter Sigmar Gabriel. Es ist der richtige Ansatz. Die Wirtschaft ist Erdogans Achillesfe­rse. Floriert sie, wird Erdogan gewählt. Geht es bergab, verliert Erdogan. BERICHT ERDOGAN HEIZT KRISE MIT DER EU AN, TITELSEITE

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