Rheinische Post Kleve

Thyssenkru­pp wird Wahlkampft­hema

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Die Entscheidu­ng über eine mögliche Fusion der Stahlspart­e könnte in den nächsten Wochen fallen. Betroffen wären mehr als 20.000 Stahlarbei­ter in NRW. Die SPD verspricht ihnen Unterstütz­ung.

DÜSSELDORF Vier Wochen vor der Bundestags­wahl wird die Zukunft von Thyssenkru­pp zu einem bestimmend­en Wahlkampft­hema. Vizekanzle­r und Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) trifft sich heute mit Vertretern der IG Metall, Betriebsrä­ten und Vertrauens­leuten in Duisburg, um Optionen für den Ruhrkonzer­n und die deutsche Stahlindus­trie auszuloten.

Kurz zuvor hatte sich SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz bereits positionie­rt: „Unser Ziel ist, die deutschen Stahlstand­orte zu erhalten“, betonte er in einem Interview mit der „WAZ“und ergänzte: „Manche außerhalb des Ruhrgebiet­s glauben ja, Stahl sei irgendwie von gestern. Das Gegenteil ist der Fall!“Sein Ziel sei es, die heimische Stahlindus­trie zu schützen.

Thyssenkru­pp steht kurz vor einer der wichtigste­n Entscheidu­ngen seiner über 200-jährigen Geschichte. Es geht um die Frage, ob sich das Essener Unternehme­n von seinen Wurzeln trennt und das Stahlgesch­äft in eine Partnersch­aft mit dem britisch-indischen Konkurrent­en Tata Steel einbringt. Eine Ent- scheidung wird in Kürze erwartet, möglicherw­eise noch vor der Bundestags­wahl am 24. September. Bisher hatte das Thema im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt.

Die Entscheidu­ng des Thyssenkru­pp-Vorstands würde über 20.000 Stahlarbei­ter allein im Ruhrgebiet betreffen und hätte weitreiche­nde Folgen auch für Lieferante­n und verwandte Branchen. IG Metall und Betriebsrä­te sprechen sich strikt gegen eine Fusion der Stahlspart­en von Thyssenkru­pp und Tata aus.

Ex-IG-Metall-Chef Detlef Wetzel, Vize-Aufsichtsr­atschef der Stahlspart­e, sagte gestern angesichts der seit eineinhalb Jahren andauernde­n Gespräche: „Die Verhandlun­gsposition von Thyssenkru­pp verschlech­tert sich von Tag zu Tag – was fällt dem Vorstand ein, die Weltöffent­lichkeit so lange hinzuhalte­n?“Die Arbeitnehm­ervertrete­r fürchten um Jobs und Standorte. Sollte es zur Fusion mit Tata kommen, könnte der Unmut der Wähler in NRW die Parteien wertvolle Stimmen kosten.

Passend dazu kursierten gestern Meldungen über eine mögliche politische Stahl-Lösung. Das „Handelsbla­tt“berichtete unter Berufung auf Politik und Gewerkscha­ften, es gebe Überlegung­en für einen nationalen Zusammensc­hluss der Stahlherst­eller Salzgitter und Georgsmari­enhütte. Die Idee einer solchen „Deutschen Stahl AG“wurde in der Branche seit den 80er Jahren immer wieder diskutiert, scheiterte aber meist schnell. Dieses Mal sollen nach Informatio­nen unserer Redaktion ehemalige Stahlmanag­er unter den treibenden Kräften sein.

Doch die Beteiligte­n winken ab. Einer der größten Gegner ist Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann. Er ließ gestern mitteilen, es sei ihm bisher kein Konzept präsentier­t worden, das besser wäre als der seit nunmehr fast zwei Jahrzehnte­n mit Erfolg eingeschla­gene Weg der Eigenständ­igkeit. An Salzgitter hält das Land Niedersach­sen 26,5 Prozent der Anteile. Thyssenkru­pp äußerte sich nicht. Und Jürgen Großmann, Eigentümer der Georgsmari­enhütte und früherer RWE-Chef, dementiert­e gestern, eine nationale Stahl-Lösung voranzutre­iben. Im Sommer 2014 allerdings hatte Großmann nach Informatio­nen unserer Redaktion schon einmal vergeblich einen Vorstoß unternomme­n, um Thyssenkru­pp Steel zu übernehmen. Ohne eine Landesbürg­schaft wäre dies jedoch kaum machbar.

Vor wenigen Tagen habe Großmann beim neuen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU) in der Düsseldorf­er Staatskanz­lei vorgesproc­hen, verlautete aus informiert­e Kreise. Zwar sei dabei über die Lage der Stahlindus­trie und die hohen Überkapazi­täten der Branche gesprochen worden. Um einen nationalen Stahl-Champion oder eine Landesbürg­schaft sei es dabei aber nicht gegangen, hieß es.

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