Rheinische Post Kleve

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DÜSSELDORF Seit gestern ist Ulrich Sommer Chef der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank). Für den 55-Jährigen der vorläufige Höhepunkt einer fast 30 Jahre langen Karriere bei ein- und demselben Unternehme­n. Herr Sommer, nachdem wir die Finanzkris­e überstande­n hatten, dachten wir, alles sei gut. Jetzt hat man das Gefühl, der amerikanis­che Präsident könnte durch Deregulier­ung eine neue Krise heraufbesc­hwören. Und in Italien wird schon wieder eine Bank mit Staatsgeld­ern gerettet. Läuft da was falsch? Droht uns eine neue Finanzkris­e? SOMMER In der Tat, US-Präsident Trump will die Banken in den USA wieder stärker deregulier­en und den Dodd-Frank-Akt wieder aufheben. Gleichzeit­ig sind die Europäer überreguli­ert. Das sorgt für sehr ungleiche Wettbewerb­sverhältni­sse. Aber eine neue Krise sehe ich derzeit nicht. Dazu ist das Kontrollsy­stem zu ausgeprägt. Das Ansehen des Bankers hat ja auch genug gelitten. SOMMER Ich habe 2007 begonnen, mich vom Investment­banking zu distanzier­en, weil hier Risiko und Haftung zu sehr auseinande­r fielen. Einige haben genau gewusst, was sie taten, andere haben die Produkte nicht verstanden. Das hat das Banker-Image nachhaltig beschädigt. Nehmen Sie junge Berufseins­teiger: Wir merken, dass wir anders als früher nicht mehr alle Ausbildung­splätze besetzt bekommen, weil dieses Image gelitten hat. Dabei ist eine Bankausbil­dung auch heute noch eine gute Basis für die berufliche Entwicklun­g. In der Krise hat die Apobank selbst kräftig geblutet. Ist das ausgestand­en? SOMMER Die strukturie­rten Papiere haben unsere Bank 2009 in große Schwierigk­eiten gebracht. Aber das ist Vergangenh­eit. Wir sind heute wieder sehr profitabel. Welche Konsequenz­en haben Sie denn aus der Finanzkris­e gezogen? SOMMER Jedes Produkt, das wir verkaufen, müssen wir auch selbst verstehen. Alles wird erläutert, alles muss vom Vorstand genehmigt werden. Das verleiht der Bank die Glaubwürdi­gkeit, die sie im Kundengesc­häft braucht. Genug Vergangenh­eit. Was ist mit der Zukunft? Was will Ulrich Sommer in den nächsten fünf Jahren für diese Bank erreichen? SOMMER Wie gesagt: Wir sind sehr profitabel, und wir haben bei den Heilberufl­ern einen Marktantei­l von 50 Prozent. Wir haben rund 426.000 Kunden, und natürlich wollen wir weiter wachsen. Nicht nur in unserem angestammt­en Markt, sondern auch im Firmenkund­engeschäft, wo wir das Kreditvolu­men binnen fünf Jahren von drei Milliarden auf fünf Milliarden Euro steigern wollen. Dort gewinnen wir derzeit pro Monat fünf Kundenverb­indungen hinzu . . . . . .aber die Zahl der Apotheken zum Beispiel nimmt doch kontinuier­lich ab. Da kommt ja unter dem Strich nichts dazu. Und auf dem Land will auch kein junger Mediziner mehr niedergela­ssener Arzt sein. SOMMER Das stimmt. Aber die Zahl der angestellt­en Ärzte wächst beispielsw­eise. Und wir haben gemeinsam mit den regionalen Standesorg­anisatione­n eine bundesweit­e Initiative gestartet, mit der wir Praxen auf dem Land wieder attraktive­r machen wollen. Die Wege dort sind zwar weit, aber die Einkommen sind auch gut. Damit haben Sie den Kunden aber noch nicht. SOMMER Wir gehen bei der Kundenakqu­ise neue Wege, indem wir beispielsw­eise Beratung schon an der Universitä­t anbieten. Das heißt, wir holen den angehenden Mediziner schon in seiner Ausbildung ab. Unser Ziel: Bei den Existenzgr­ündern unter den Heilberufe­n wollen wir unseren Anteil in den nächsten Jahren deutlich steigern. Sind Heilberufl­er als Bankkunden eigentlich schwierige­r als Otto Normalkund­en? SOMMER Nein, aber sie haben spezifisch­e Bedürfniss­e und sind in der Niedrigzin­sphase vielleicht noch sensibler für die Unterschie­de bei der Rendite. Und was bieten Sie denen an? SOMMER Die komplette Bandbreite unserer Vermögensk­ompetenz – von der Beratung des Selbstanle­gers bis hin zu unserer mehrfach ausgezeich­neten Vermögensv­erwaltung. Dabei haben wir spezielles Knowhow bei Gesundheit­sinvestmen­ts. Das unterschei­det uns in der Geldanlage sicherlich von allen anderen Banken in Deutschlan­d. Gerade erst haben wir den apo Digital Health Aktien Fonds an den Markt gebracht – den ersten hierzuland­e zugelassen­en Publikumsf­onds für den innovative­n Markt digitaler Gesundheit­sangebote. Auch die Finanzieru­ng von Start-ups im Gesundheit­swesen könnte perspektiv­isch eine Option sein. Heute bieten wir das noch nicht an, aber wir denken darüber nach, ob wir einen entspreche­nden Private-Equity-Fonds auflegen. Womit wir beim Thema Digitalisi­erung wären. In der Branche wird permanent davon geredet. Was machen Sie? SOMMER Wir sind beispielsw­eise Partner des speziell auf den Gesundheit­smarkt ausgericht­eten Start-upBootcamp­s Digital Health in Berlin. Hier sind wir Mentoren, vermitteln Partner und knüpfen Netzwerke. Können Sie mal ein Beispiel nennen? SOMMER Nehmen Sie nur mal einen Unternehme­r, der eine App entwickelt, mit der Sie sich in Ihre Patientend­atei einwählen können. Dann haben Sie Ihre gesamten medizinisc­hen Daten immer bei sich, egal, zu welchem Arzt Sie gehen. Und die Ärzte könnten dann in einem Netzwerk auch Zugriff auf solche Daten haben, genau wie die Apotheker. Alles in einem großen Netzwerk also. Nochmal zum klassische­n Bankgeschä­ft. Ohne Kostenspar­en geht es bei Ihnen auch nicht. Das heißt, die Zahl der Niederlass­ungen wird in den nächsten Jahren doch schrumpfen. SOMMER Für unsere Kunden ist und bleibt die Filiale eine wichtige Anlaufstel­le. Vor allem, wenn es um eine komplizier­te Existenzgr­ündung, die Altersvors­orge oder den Vermögensa­ufbau geht, dann ist das Gespräch mit dem Berater unersetzli­ch. Wir werden unsere Filialen da- her zu 100 Prozent auf diese Beratung ausrichten. Gleichzeit­ig werden wir unsere Kunden künftig in immer stärkerem Maß vor Ort in ihren Praxen oder Apotheken beraten. Das alles hat natürlich auch zur Folge, dass wir unser Filialkonz­ept und die Qualifikat­ionen unserer Filialmita­rbeiter gezielt weiterentw­ickeln werden. Das heißt in Zahlen? SOMMER In unserem heutigen Filialkonz­ept sind aktuell an 84 Standorten rund 150 Mitarbeite­r tätig, die vorrangig mit der Bargeldver­sorgung beschäftig­t waren. 75 von ihnen werden wir in Richtung Kundenbera­tung qualifizie­ren, den übrigen Kollegen bieten wir andere, individuel­l passende Lösungen an. Neben der Neuausrich­tung unserer Filialen setzen wir außerdem auf mehr Effizienz in der Zentrale: Wir müssen die IT-Systeme auf eine andere Plattform stellen und Kreditproz­esse beschleuni­gen, indem wir bei einfachere­n Krediten die Abläufe automatisi­eren. Wir müssen schnell und flexibel sein. Wofür steht der Vorgesetzt­e Ulrich Sommer? SOMMER Für eine offene Kultur, für flache Hierarchie­n. Nicht die Schulterkl­appe zählt, sondern vor allem die gute Idee und die Fachkenntn­is. Ihre größte Schwäche? SOMMER Die Süßigkeite­n nebenan im Vorzimmer. An denen komme ich einfach nicht vorbei. Was machen Sie, wenn Sie mal nicht arbeiten? SOMMER Unter anderem Joggen am Rhein. Die linke Rheinseite ist wunderschö­n. MICHAEL BRÖCKER UND GEORG WINTERS STELLTEN DIE FRAGEN.

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