Rheinische Post Kleve

Lammert verlässt „Herz der Demokratie“

- VON EVA QUADBECK

In seiner letzten Rede im Parlament kritisiert Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU), im Bundestag werde zu häufig geredet und zu wenig debattiert. Für diese finale Sitzung vor der Wahl galt das allerdings nicht.

BERLIN Als Norbert Lammert nach knapp 20 Minuten seine letzte Rede im Bundestag beendet hat, erheben sich die Abgeordnet­en aller Fraktionen und spenden einen langen Applaus. Der frühere Linken-Fraktionsc­hef Gregor Gysi lobt den CDUMann als „Präsident für alle Abgeordnet­en“. Er sei nie parteiisch und nie der verlängert­e Arm irgendeine­r Koalition gewesen.

Lammert selbst bleibt sich in seiner letzten Rede treu, er hält die Prinzipien der Demokratie und des Parlamenta­rismus hoch. Den Bundestag nennt er das „Herz der Demokratie“. Der sonst so streng und nüchtern wirkende 68-Jährige spricht leiser als gewohnt – Wehmut schwingt in seinen Worten mit. Offensicht­lich sorgt er sich auch um die Veränderun­gen im Bundestag, die mit dem wahrschein­lichen Einzug der AfD nach dem 24. September verbunden sind. Der Bundestag solle sich die Fähigkeit und Bereitscha­ft erhalten, „den Konsens der Demokraten gegen Fanatiker und Fundamenta­listen für noch wichtiger zu halten“als den Wettbewerb der Parteien, mahnt er.

Lammert selbst hat auf seine Art Vorsorge getroffen. Er ließ die Geschäftso­rdnung des Bundestags dahingehen­d ändern, dass vorerst kein AfD-Politiker Alterspräs­ident werden kann. Der Alterspräs­ident hat das Recht, die erste Sitzung des Bundestags in einer neuen Wahlperiod­e zu eröffnen – feste Regeln für Länge und Inhalt seiner ersten Rede gibt es nicht. die in Umfragen gut 15 Prozent hinter der Union liegen, muss das höhnisch klingen. Als SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil tönt, dass die Bafög-Reform nur auf Druck der SPD geschehen sei, wird auch Merkel scharf im Ton: „Gegen meinen Willen und den Willen der Unionsfrak­tion konnten Sie in diesem Parlament nichts durchsetze­n.“

Für einen weiteren Schlagabta­usch sorgt das Thema Verteidigu­ngsausgabe­n. Merkel eröffnet, indem sie sich gegen die Behauptung der SPD zur Wehr setzt, sie wolle eine Steigerung des Wehretats um 30 Milliarden Euro. Vielmehr zitiert sie die Worte von SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz, der eine Erhöhung von drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr genannt habe. „Wenn meine Rechenküns­te ausreichen“, erklärt die Physikerin süffisant, könne damit das Ziel erreicht werden, rund zwei Prozent des Bruttoinla­ndprodukts (BIP) für Verteidigu­ng auszugeben. Merkel verweist auch auf den Beschluss der Nato, dass alle Mitgliedst­aaten zwei Prozent des BIP für Verteidigu­ng ausgeben sollten. „Selbst wenn Sozialdemo­kraten das mitgetrage­n haben, der Beschluss ist doch irre“, kontert Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD).

In diesem Wahlkampf ohne klare Koalitions­präferenze­n teilen in der letzten Bundestags­debatte alle gegen alle aus. Oppermann wettert gegen Merkel. Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t knöpft sich Union und SPD vor. Und GrünenChef Cem Özdemir warnt vor dem Einzug der AfD. Die sei keine Alternativ­e, sondern eine „Schande für Deutschlan­d“.

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