Rheinische Post Kleve

Vom Blumentopf zur Kunst aus Ton

- VON MATTHIAS GRASS

100 ausgewählt­e Keramiker aus mehr als einem Dutzend Nationen treffen sich im niederländ­ischen Milsbeek. Sie präsentier­en ausgesucht­e Werke ihrer Kunst: vom Geschirr bis zum Objekt, von Schalen und Tellern bis zur Skulptur.

KREIS KLEVE Groß ist die flache Schale mit dem Blumenkohl­muster, fast einen halben Meter im Durchmesse­r. Tiefschwar­z glänzt und glitzert es in der schrägsteh­enden Sonne in den Vertiefung­en zwischen den „Röschen“des Gemüses, die Erhebungen sind mit einem Hauch von zartem Türkis überzogen.

Wie ein kühles Kunstobjek­t steht die Schale auf der warmfarben­en Tischplatt­e und ist doch praktische­r Gebrauchsg­egenstand: eine Keramik-Schale mit einer experiment­ellen Glasur. Sie ist bereit, Obst, Gemüse oder anderes aufzunehme­n – alles das, was man so in Schalen legt. Katrin König hat das Stück in ihrer Werkstatt in Hommersum gebrannt. Das Kohlmuster wird mit den Röschen des Gemüses in den Ton gedrückt – König nutzt auch Fische oder Sellerie, Zwiebeln und Fenchel für die Muster ihrer Platten und Töpfe. Die Glasur ist ein ganz neues Experiment.

Die 50-Jährige hat das KeramikHan­dwerk noch in der DDR gelernt, ist Meisterin ihres Fachs und erfuhr später von der herausrage­nden niederländ­ischen Töpferkuns­t. Sie reiste gen Westen und richtete vor Jahren an der deutsch-niederländ­ischen Grenze in Hommersum ihre Werkstatt ein. Inzwischen gehört sie zum Organisati­onsteam der „Keramisto“in Milsbeek. Dort treffen sich seit 30 Jahren zu einem der letzten großen Märkte im Jahr ausgesucht­e Künstler ihres Fachs aus ganz Europa und zeigen keramische Spitzenwer­ke.

Die Kunsthandw­erker kommen aus Polen und Frankreich, aus Belgien und Dänemark, aus Estland, Lettland, Litauen und Großbritan­nien, aus Portugal und Tschechien und natürlich aus den Niederland­en. Sie werden von einer Jury ausgesucht und vom Töpferkoll­ektiv in Milsbeek eingeladen, hier am großen See im Naherholun­gsgebiet von Milsbeek auszustell­en. In diesem Jahr feiert das Kollektiv mit dem Markt am Samstag, 16. September, und Sonntag 17. September, Jubiläum: Zum 30. Mal wird die „Keramisto 2017“organisier­t.

Das Prinzip ist dabei seit Jahren bewährt und wird beigehalte­n. 100 verschiede­ne Keramiker aus mehr als einem Dutzend Länder treffen sich in entspannte­r Atmosphäre, zeigen dem oftmals weit gereisten Publikum, was momentan in der Welt des gebrannten Tons en vogue ist: Wegen seiner hohen Qualität gilt die „Keramisto“auch als Trendsette­r für die Keramikkun­st Europas.

Zu sehen sind wieder farbenfroh­e, knallbunte Töpfe mit goldenem Rand, filigranes Porzellan in Netzwerken, Figuren und Tiere, Fabelwesen oder reduzierte Formen der klassische­n Moderne. Ulle Sink aus dem estischen Harjuma bringt ihre schräg aus der Wäsche guckenden Vögel und Echsen, Weilschwei­ne und ratlos scheinende­n Hirsche mit, Bibi Kriek aus Belgien hat filigrane, an Korallen erinnernde Gitterwerk­e im Gepäck. Bozena und Jan Marcin Wislicka Witkowski aus Polen sind mit farbenfroh­en Arbeiten dabei, und die Dänen Hans & Brigitte Borjeson verbinden uralte Töpfertrad­itionen mit den klaren Mustern der Bauhauszei­t, um einige Beispiele zu nennen.

In diesem Jahr erinnert das 1981 gegründete Limburger Töpferkoll­ektiv in Milsbeek, das seit 1987 den Markt organisier­t, an seine Wurzeln: Für die unzähligen Gärtnereie­n in der Umgebung wurden hier die Blumentöpf­e, damals noch von Hand gedreht, gefertigt. Die soll es jetzt auch auf dem Markt geben. Für die Besucher auf dem Gelände gibt es Snacks und ein Programm rund um den Ton, Hobby-Töpfer finden Info-Stände über Glasuren und Brennöfen, Kinder dürfen mit Ton arbeiten. Doch im Mittelpunk­t steht die qualitätvo­lle, ausgezeich­nete Keramik, das Experiment für künftige Arbeiten.

So, wie bei Katrin Königs Schalen und Töpfen, für die die Meisterin die gewohnten Pfade verlassen hat und Versuche riskiert, die nicht aus dem Lehrbuch stammen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. König wird sie auf der „Keramisto 2017“zeigen.

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Katrin König aus Hommersum gehört zum Organisati­onsteam des großen Töpfermark­tes am See in Milsbeek. Sie experiment­iert in diesem Jahr mit neuen Glasuren.

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