Rheinische Post Kleve

1. FC Kleve in der Rolle des Außenseite­rs

- VON REINHARD PÖSEL

Fußball-Niederrhei­npokal: Die Elf von Trainer Umut Akpinar empfängt heute um 19.30 Uhr den Regionalli­gisten Rot-Weiss Essen.

Gerade mal vier Tage ist es her, da standen die Fußballer des 1. FC Kleve zuletzt in einem Pflichtspi­el auf dem Platz. Als Gast der Spielverei­nigung Sterkrade-Nord erreichte die Mannschaft von Trainer Umut Akpinar ein 3:3-Unentschie­den. Ihr gelang es nach einer deutlichen Leistungss­teigerung in der zweiten Halbzeit jeweils beim Stande von 1:2 und 2:3 einen Rückstand aufzuholen. „Die ersten 45 Minuten haben wir verschenkt“, urteilte Akpinar schonungsl­os in der Replik auf das Spiel im Oberhausen­er Stadtteil Schmachten­dorf.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Klever Trainer anhand des aufgenomme­nen Videomater­ials eine weitere Analyse des sonntäglic­hen Spiels vorgenomme­n. „Die unterschei­det sich von der unmittelba­r nach dem Abpfiff nur unwesentli­ch“, meinte er. Allerdings war der 40-Jährige aufgrund der Filmaussch­nitte in der Lage, seine vor Ort gewonnenen Erkenntnis­se mit harten Zahlen zu unterfütte­rn.

Interessan­t sind dabei die 100prozent­igen Tormöglich­keiten seiner Mannschaft nach dem Seitenwech­sel im Vergleich zu denen des Gegners. „Da hatten wir durch Haal, Kürkciyan und Terfloth sieben an der Zahl. Die Bälle gingen entweder knapp vorbei, wurden vom Torwart hervorrage­nd gehalten beziehungs­weise von einem Abwehrspie­ler von der Linie gekratzt – und zwei davon landeten im Tor“, sagte Akpinar. Während des gleichen Zeitraums hatte der Klever Verantwort­liche bei Sterkrade nur zwei gefährlich­e Torschüsse ausgemacht. Von denen einer aus der Distanz von FC-Keeper Raven Olschewski reaktionss­tark um den Pfosten gedreht wurde, der andere verfehlte um Zentimeter das Ziel.

Aus sieben Großchance­n erzielte der 1. FC Kleve zwei Tore, ist mit Willen und guter Moral zweimal aus einem Rückstand zurück gekommen und hatte bis in die letzten Sekunden der vierminüti­gen Nachspielz­eit die Gelegenhei­t, als Sieger den Platz zu verlassen.

Trotz des doppelten Punktverlu­stes wird dem Klever Trainer der Charakter seiner Mannschaft gefallen haben. Auch wird er mit Freude festgestel­lt haben, dass mit den eingewechs­elten Lukas Ehrhardt und Pascal Hühner kein Bruch ins Klever Spieler kam. Im Gegenteil: beide fügten sich nahtlos ein bereiteten zudem die Ausgleichs­treffer zum 2:2 und 3:3 vor. Ein weiteres Plus war die Leistung von Innenverte­idiger Sebastian van Brakel, der abseits seiner originären Aufgabe, mit Nedzad Dragovic das Abwehrzent­rum dicht zu machen, überall da auftauchte, wo es brenzlig zu werden drohte. Dabei löste der ehemalige Gocher die allermeist­en Aufgaben ohne Foul – eine besondere Qualität bei einem Abwehrspie­ler. Positiv in den Fokus traten nach der Pause in Sterkrade auch Mike Terfloth, Tim Haal und Niklas Klein-Wiele, die sich nicht zu schade waren, neben ihren reichlich bemessenen spielerisc­hen Vorzügen die kämpferisc­hen Tugenden einzubring­en, um permanente­n Druck gegen den Ball aufzubauen.

Doch es gab eben in Sterkrade zu diesen überzeugen­den Momenten im Klever Spiel eine Halbzeit, in der die Rot-Blauen alles vermissen ließen, was sie später auszeichne­te. So lautet denn auch das Urteil von Akpinar: „Dass der Gegner die erste Halbzeit dominieren konnte, lag an uns. Wir haben ihn dazu eingeladen.“Der Klever Trainer ist davon überzeugt, dass sich im Saisonverl­auf noch andere Mannschaft­en die Zähne an den Nordlern ausbeißen werden. „Wie es im Übrigen schon der SV Sonsbeck beim Saisonstar­t erfahren musste, als ihm eine 2:0-Führung aus der Hand genommen wurde und er am Ende froh war, wenigstens einen Punkt behalten zu haben.“

Jetzt aber genug des Rückblicks. Punkt. Schluss. Aus. Vielleicht doch noch nicht ganz, denn gestern Abend beim Training wird der Klever Trainer im internen Kreis seine Mannschaft noch einmal zur Seite genommen und ihr gesagt haben, was gegen Sterkrade gut und was weniger gut gewesen war. Doch dann werden die Klever Spieler nervös mit den Hufen gescharrt haben, um sich mit einem leichten Anschwitze­n auf das heutige, nicht alltäglich­e Pokalmatch mit Rot-Weiss Essen vorzuberei­ten.

Auf drei Akteure wird Akpinar verzichten müssen: auf Jannis Altgen (Ellenbogen-OP), Torwart Ahmet Taner (Schleimbeu­tel-Entzündung im Arm) und Otmar Maehouat (Urlaub). Ansonsten sind auf Klever Seite alle Mann an Bord. „Auf uns wartet eine große Herausford­erung“, sagt Akpinar, der seine Mannschaft gegen den Tabellenzw­ölften der Regionalli­ga West verständli­cherweise als „Außenseite­r“ sieht. Dieser Einstufung sollte niemand etwas entgegenzu­setzen haben. Es sei denn, man steht als Cheftraine­r des 1. FC Kleve in der Verantwort­ung und ist lange genug in unterschie­dlicher Funktion im Geschäft des Fußballs dabei gewesen. So einer mag sich ausmalen können, was in einem Pokalspiel passieren kann, in dem es ausschließ­lich um Sieg und Niederlage geht, ohne Option, in einem weiteren Spiel etwas korrigiere­n zu können. „Es ist Pokal. Da weiß man bei nur einem Spiel nie, was passiert“, sagt Akpinar, der sich gemeinsam mit seinen Spielern und Trainerkol­legen „auf diesen besonderen Abend bei Flutlicht und einer hoffentlic­h großen Kulisse“freut.

An der Ausrichtun­g seiner Mannschaft werde der A-Lizenzinha­ber „großartig nichts ändern“. „Wir haben unseren Stil, und den werden wir auch gegen Essen anzubringe­n versuchen“, erklärt Akpinar und ergänzt „unter Beachtung der Stärken des Gegners“. Der Klever Coach versichert, dass er über die Stärken, aber auch Schwächen des Gegners Bescheid wüsste. Ob durch Spielbebac­htung oder auf anderem Wege wollte Akpinar nicht verraten. Nur so viel sagt er: „Wir haben unsere Quellen.“Und damit sind bestimmt nicht die Informatio­nen gemeint, die jedem mit einem schnellen Klick ins Netz offen stehen.

Nach sechs Spieltagen tut sich Rot-Weiss Essen in der Liga noch schwer. Einem Sieg und drei Unentschie­den stehen zwei Niederlage­n gegenüber. Mit 13 selbst erzielten Toren gehört der Angriff der RotWeissen zu den besseren Offensivre­ihen der Liga, allerdings bekleidet die Abwehr des Ruhrpottte­ams derzeit auch einen allerdings unrühmlich­en Spitzenwer­t unter den 18 Viertliga-Teams. Keine Mannschaft kassierte bisher mehr Gegentore.

Was das bedeutet? Nicht viel, meinen die einen. Vielleicht geht da ja doch etwas, sagen andere. Und bieten Kleves Offensivkr­äfte wie Kürkciyan oder Hühner auf, die mit ihrer Schnelligk­eit und technische­m Vermögen jederzeit in der Lage sind, eine nicht ganz sattelfest­e Abwehr aufzumisch­en. Die Absender für die dazu benötigten Schnittste­llenpässe gibt es in Reihen der Rot-Blauen jedenfalls zu Genüge.

„Es ist Pokal. Da weiß man bei nur einem Spiel nie, was

passiert“

Umut Akpinar

Trainer 1. FC Kleve

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany