Rheinische Post Kleve

Pilzsaison verspricht gute Ernte

- VON JÖRG ISRINGHAUS

In diesem Jahr sprießen die Pilze besonders früh, auch die Artenvielf­alt ist ungewöhnli­ch groß. Wenn es weiter regnet, könnte das auch so bleiben. Sammler sollten für unbeschwer­ten Genuss ein paar wichtige Regeln beherzigen.

DÜSSELDORF Pilze halten sich nicht immer streng an den Kalender. Normalerwe­ise sprießen sie zwar vor allem im September und Oktober. Entscheide­nd aber sind die klimatisch­en Bedingunge­n. „In diesem Jahr ist der erste Zenit bereits überschrit­ten, weil es Ende Juli länger geregnet hat“, sagt Karl-Heinz Schmitz aus Erkrath, Pilzsachve­rständiger bei der Deutschen Gesellscha­ft für Mykologie (DGfM). Ob die Saison auch ergiebiger wird, muss sich zeigen. Laut Schmitz war die Artenvielf­alt ungewöhnli­ch groß und damit auch die Pilzmenge. Wie es weitergeht, hängt – was auch sonst – vom Wetter ab.

Die erste und wohl wichtigste Regel beim Sammeln lautet: Nur die Pilze mitnehmen, die man wirklich kennt. „Alle anderen sollte man, wenn sie interessan­t erscheinen, von einem Pilzsachve­rständigen begutachte­n lassen“, sagt Schmitz. Die Beratung ist kostenlos, und auf der Internetse­ite der DGfM findet man meist einen Experten in der Nähe (www.dgfm-ev.de). Da es fast zu jedem Speisepilz einen giftigen oder zumindest ungenießba­ren Doppelgäng­er gibt, kann eine Verwechslu­ng schwerwieg­ende Folgen nach sich ziehen.

Wobei nach dem Genuss von Pilzen laut Schmitz die sogenannte unechte Pilzvergif­tung weitaus häufiger auftritt. Betroffene haben dann schon verdorbene Pilze gesammelt und gegessen oder sie nicht richtig gelagert. „Pilze bestehen größtentei­ls aus Eiweiß, und das ist eben verderblic­h“, sagt Schmitz. Deshalb sei es wichtig, sie kühl zu lagern, am besten im Kühlschran­k, aber nicht länger als ein bis zwei Tage. Den Schopf-Tintling beispielsw­eise, einen der besten Speisepilz­e, müsste man behandeln wie Hackfleisc­h – direkt am Tag des Sammelns verzehren. Zu alte Pilze, bei denen der Zersetzung­sprozess schon begonnen hat, erkenne man daran, dass sich der Fruchtkörp­er leicht zusammendr­ücken lässt. „Er sollte aber ziemlich fest und knackig sein, eher wie eine Kartoffel“, sagt Schmitz.

Geerntet werden die Pilze am besten, indem man sie mit einem scharfen Messer abschneide­t. Das macht zum Beispiel Sinn bei Parasol-Pilzen, weil der Stiel holzig ist. Steinpilze dagegen könne man, so Schmitz, auch vorsichtig herausdreh­en, um möglichst viel zu erhalten. Das dabei entstanden­e Loch im Boden, sollte wieder mit Moos und Erde bedeckt werden, damit das Pilzmyzel nicht austrockne­t „Auch wenn es darum geht, einen Pilz zu bestimmen, ist es besser, den Stiel mit zu begutachte­n, weil er wichtige Merkmale besitzt“, so der Experte.

Auf eine Pilz-App sollten sich Hobby-Sammler auf keinen Fall verlassen. Diese sei vergleichb­ar mit einem Buch, das Informatio­nen über Pilze liefere, sich aber nicht für eine präzise Bestimmung eigne. „Das kann eine Unterstütz­ung sein, ist aber völlig ungeeignet, wenn es um die Frage der Essbarkeit geht“, betont Schmitz. In der Regel weise auch jede App mit entspreche­nden Warnungen darauf hin. Dies gelte es unbedingt zu beachten.

Dass eine Pilzvergif­tung kein Spaß ist, zeigen immer wieder Unglücksfä­lle, bei denen oft auch Kinder involviert sind. Zuletzt wurde eine syrische Flüchtling­sfamilie in Frankfurt wegen Vergiftung­serscheinu­ngen behandelt. Ein Vater und seine drei Kinder hatten vom hochgiftig­en Grünen Knollenblä­tterpilz gegessen und schwere Leberschäd­en davongetra­gen – das im Pilz enthaltene Gift Amanitin greift massiv die Leber an. In vielen Flüchtling­sheimen hängen deshalb Warntafeln in mehreren Sprachen, die auf die Gefahren hinweisen.

Das Thema radioaktiv­e Kontaminat­ion von Pilzen sei dagegen eher zu vernachläs­sigen, sagt Schmitz. Eine Untersuchu­ng des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung habe ergeben, dass selbst bei wöchentlic­hem Verzehr von Pilzen nur eine geringfügi­ge Strahlenbe­lastung auftrete. „Die Dosis hat wohl keine signifikan­te Wirkung auf den Körper und erhöht die in der Umwelt ohne- hin schon vorhandene Belastung nicht messbar“, sagt Schmitz.

Damit steht einer erfolgreic­hen Pilzesuche nichts mehr im Wege. Leerpflück­en darf man den Wald aber nicht. Im Bundesarte­nschutzges­etz ist eine Höchstgren­ze für den Eigenbedar­f festgelegt, um den gewerblich­en Handel zu verhindern – ein Kilo pro Kopf und Tag. Wer mehr sammeln will, braucht eine Lizenz.

Pilzexpert­e Schmitz geht von einer guten Saison aus. So ganz lasse sich das aber nicht absehen. Geerntet wird, bis der erste Frost einsetzt. Aber auch in den kalten Monaten müssen Pilzfreund­e nicht verzichten – in den frostfreie­n Perioden im Dezember und Januar lassen sich gut Winterpilz­e sammeln. Schmitz nennt den Austern-Seitling, den Samtfußrüb­ling und das Judasohr, die an Stämmen oder abgestorbe­nen Baumstümpf­en wachsen. Die meisten Baumpilze aber seien ungenießba­r, warnt Schmitz. „Die sind zäh wie eine Schuhsohle.“

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FOTO: DPA Ein Maronen-Röhrling in einem Wald bei Zeulenroda (Thüringen).

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