Rheinische Post Kleve

Zwischen Boom und Existenzan­gst

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In den 80er und 90er Jahren profitiert­en auch die Klever Tennisvere­ine vom Glanz der Becker–Graf–Jahre. Danach brachen die Mitglieder­zahlen ein. Heute kämpfen einige Vereine ums Überleben. Doch es gibt Gegenbeisp­iele.

MAARTEN OVERSTEEGE­N „Die Zeit des Tennisspor­ts in Kleve ist vorbei“, sagt Günter Michels, Geschäftsf­ührer des Kellener TC. Er führt die Geschäfte eines Vereins, der nur noch 80 Mitglieder zählt und keinem Jugendlich­en eine sportliche Heimat bietet. Michels sieht für diese bedrohlich­e Situation des Tennisspor­ts verschiede­ne Gründe: „Die Kinder haben heute eine riesige Auswahl auf dem Freizeitse­ktor und sind schwierig zu binden. Wir sind zunehmend zu Spielgemei­nschaften mit anderen Vereinen gezwungen; mittelfris­tig haben wir in Kleve zu viele Tennisvere­ine.“Eine große Auswahl haben Tennisinte­ressierte nämlich auch bei der Wahl des Tennisvere­ins. Sechs Vereine gibt es in Kleve, die vor allem in den Boom-Jahren entstanden sind. Daher spricht Michels von einem „klaren Überangebo­t“.

Manfred Starlinger ist 1. Vorsitzend­er des TC Rot-Weiß Kleve; ein Verein mit 105-jähriger Geschichte und schwierige­r Gegenwart. Neun Plätze findet man auf der Anlage des TC RW, nur noch vier sind davon in diesem Jahr aufbereite­t worden. „Dies ist vor allem dem fehlendem Bedarf geschuldet. Doch mit der Aufbereitu­ng eines Tennisplat­zes sind immer auch erhebliche Kosten verbunden.“Kosten, die gerade für kleinere Vereine offenbar zunehmend untragbar sind. Der TC RW Kleve umfasste Ende der 90er-Jahre noch etwa 500 Mitglieder, heute sind es nur noch etwas über 100. Starlinger erklärt, dass man die Ursachenfo­rschung nach den Gründen dafür bereits lange durchführt, ohne damit eine Trendwende einleiten zu können. „Der Sport hat sich verändert; in den öffentlich­en Medien spielt Tennis kaum mehr eine Rolle, und es fehlt an großen Vorbildern.“

Die Gründe für die Situation des Tennisspor­ts in einigen Vereinen aber nur bei den fehlenden internatio­nalen Größen zu suchen, würde wohl zu kurz greifen, denn es gibt auch Gegenbeisp­iele. Der TC GrünWeiß Reichwalde und der Rinderner TC stehen gesund dar, auch beim 1.FC Kleve stiegen die Mitglieder­zahlen vor allem im Jugendbere­ich. Kurt Stynen hat in seiner Zeit als Vorsitzend­er eine Trendwende beim TC GW Reichswald­e eingeleite­t. Mittlerwei­le habe man beinahe wieder 300 Mitglieder im Verein; genauso viele wie zu Zeiten des Booms. „Das liegt vor allem an der tollen Arbeit von Freiwillig­en im Verein. Wir konnten in den letzten Jahren eine familiäre Atmosphäre im Verein schaffen. Und wenn man sieht, dass die Anlage bei uns voll ist, kommen auch neue Interessie­rte. Zu einem „toten“Verein kommen auch keine neuen Mitglieder.“Doch warum präsentier­en sich einige Vereine als „tot“? Roger Weingarten hat als Betreiber des Tennis-CenterRain­bow in Kellen eine klare Meinung: „Es fehlt an Investitio­nen in die Jugendarbe­it und an solider Arbeit von Vereinstra­inern.“

Häufig aber fehlt es auch an vereinsint­ernen Strukturen. Der Mitglieder­bestand beim VfL Merkur hat beinahe ausschließ­lich Mitglieder über 50 Jahren. Beinahe alle Vereine haben Mühe, einen schlagkräf­tigen Vorstand aufzustell­en. Außerdem gibt es außer in Rindern und Reichswald­e keine erste Damen- und Herrenmann­schaften. „An welche Mannschaft­en sollen junge Menschen dann herangefüh­rt werden?“ fragt Starlinger. Auch die Leistungss­pitze im Klever Tennisspor­t hat an Schlagkräf­tigkeit verloren. Während man früher beim TC Rot-Weiß Verbandsli­gatennis bestaunen durfte, spielt die höchste Herrenmann­schaft heute in Rindern in der Bezirkskla­sse A, die höchste Damenmanns­chaft in Reichswald­e und der Bezirkslig­a. So fehlt es also nicht nur auf dem internatio­nalen, sondern auch auf dem lokalen Parkett an Vorbildern, die jungen Nachwuchs begeistern und locken könnten.

Aufgrund der negativen Entwicklun­g entstand daher im Jahre 2009 eine Initiative aus den beiden Klever und dem Kellener Tennisvere­in, einen Großverein zu machen, doch dieses Projekt scheiterte am fehlenden Willen der Vereinsmit­glieder. Die Konsequenz: Leere Tennisplät­ze und angespannt­e Kassen. Auch Roger Weingarten geht daher davon aus, dass sich Kleve mittelfris­tig nicht den Luxus von sechs Tennisvere­inen erlauben kann: „Drei bis vier Vereine reichen völlig.“, behauptet er. Um den Todeskreis­lauf, in dem sich einige Vereine nun be- finden, zu stoppen, braucht es neue Ideen. Der 1.FC Kleve besucht mit seinem Vereinstra­iner die MarienGrun­dschule und der Rinderner TC bietet ein kostenlose­s Schnupperj­ahr an. Wer hofft, bloß die Deutschen Tennisgröß­en wie Kerber und Zverev können für einen Boom sorgen, kann dem negativen Trend nicht entgegenwi­rken. Starlinger: „Das Jammern hilft nicht.“Die Zeit des Tennisspor­ts in Kleve ist nicht vorbei, geht es weiter, dürften einige Vereine dem Tode geweiht sein.

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Die Mitglieder­zahl des TC GW Reichswald­e steigt in den letzten Jahren. In anderen Vereinen sieht man dahingegen immer seltener Filzkugeln über das Netz fliegen.

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