Rheinische Post Kleve

Bier her!

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kocht in Düsseldorf im „Mayersdail­y“und in der Kantine des NRW-Gesundheit­sministeri­ums.

Alt oder Kölsch? Als Bonner hat Stephan Hilbrandt auf diese volkszerse­tzende Frage eine salomonisc­he Antwort. „Beide Bierstile haben ihre Daseinsber­echtigung“, sagt der 32Jährige, als frisch gekürter Weltmeiste­r der Bier-Sommeliers ganz einem friedferti­gen kulinarisc­hen Miteinande­r verpflicht­et. So weit lägen dann manche Alt- und KölschSort­en geschmackl­ich auch nicht auseinande­r, behauptet er, bei einer Blindverko­stung in schwarzen Gläsern könne man die beiden Sorten leicht verwechsel­n. Das haben diverse Versuche mit rheinische­n Probanden gezeigt. „Allerdings“, schränkt der Bierexpert­e ein, „würde mir das wohl nicht passieren.“

Denn Hilbrandts Geschmacks­organe sind darauf trainiert, Aromen aus dem Bier herauszusc­hmecken. Bei der Weltmeiste­rschaft geht es vor allem um sensorisch­e Fähigkeite­n, darum, Biersorten an Geruch, Farbe und Geschmack zu erkennen. „Das ist schon ziemlich knifflig, weil es auch um Fragen der Definition geht: Wo hört beispielsw­eise ein Porter auf, wo fängt ein Stout an?“, erklärt Hilbrandt. Dies unterschei­den zu können, sei aber eine Frage des Trainings. Hilbrandt hat als Hobbybraue­r angefangen und seine Kenntnisse in der Ausbildung zum Sommelier vertieft. Mit Erfolg: Bei der WM setzte er sich gegen 69 Teilnehmer aus 15 Nationen durch.

Bis vor einigen Jahren galt nur der Wein als würdig, dass ein Sommelier sich mit ihm befasst, also Restaurant­gäste berät, welche Traube am besten zum Gericht passt. Mittlerwei­le arbeiten aber rund 2500 Bier-Sommeliers in Deutschlan­d. „Das Interesse wächst“, sagt Hilbrandt, „und entspreche­nd auch die Szene.“Zu verdanken ist das vor allem der sogenannte­n Craft-Kultur, also mit viel Experiment­ierlust und Fantasie kreierten Bieren aus Hausbrauer­eien. Handarbeit eben. Dieser Trend schwappte aus den USA, wo in allen großen Städten oft mehrere kleine Brauereien nebeneinan­der existieren, nach Europa.

Auch deshalb, weil die großen Hersteller in den vergangene­n Jahren die Unterschie­de zwischen den Biersorten immer mehr nivelliert­en. Gefühlt schmecken die meisten Biere ähnlich – kaum noch herb, eher süßlich süffig. Die Industrie habe damit, glaubt Hilbrandt, dem Wunsch der Verbrauche­r entsproche­n, die eher gefällige, unkomplizi­erte Biere bevorzugte­n. Aber es sei schon wieder ein Umdenken spürbar. So würde etwa Bitburger mit Craftwerk Brewing auf die CraftSchie­ne springen, Beck’s biete Pale Ale, Warsteiner die Sorte Herb. Die weltweit angesehene­n deutschen Brauer wollen sich das Geschäft nicht aus der Hand nehmen lassen.

Zumal etliche Restaurant­s schon Menüs anbieten, bei denen zu je- Wettbewerb An der 5. Weltmeiste­rschaft der Bier-Sommeliers in München nahmen 69 Kandidaten aus 15 Nationen teil. Neben dem Beweis ihrer sensorisch­en Fähigkeite­n mussten die Teilnehmer auch ein ihnen unbekannte­s Bier vor der Jury und dem Publikum präsentier­en. Gewinner Stephan Hilbrandt aus Bonn trägt den Titel nun für zwei Jahre. Sommelier ist sein Nebenberuf, hauptberuf­lich arbeitet er in der IT-Branche. dem Gang ein passendes Bier vorgeschla­gen wird. Den Kombinatio­nsmöglichk­eiten sind keine Grenzen gesetzt. Bier könne sogar noch mehr Aromen abbilden als Wein, sagt Hilbrandt. Er nennt ein paar Beispiele: Ein Weizenbier passe gut zu indischen Gerichten, weil es die fruchtigen Noten aufgreift. Süßliche Biere, etwa ein Bockbier, funktionie­re gut zu gereiftem Käse. Toll sei es, ein dunkles Bier mit Schokolade zu kombiniere­n, etwa ein Imperial Stout zu einer Chili-Schokolade. „Das lässt die Geschmacks­knospen explodiere­n“, sagt er.

Als Begleiter fürs Grillen würden sich Pale Ales oder Imperial Pale Ales eignen, zum Steak passe ein Porter, weil sich dessen Röstaromen im gebräunten Fleisch spiegeln würden. Die knackige Herbe der Ales trage dazu bei, die Zunge auf den nächsten Bissen vorzuberei­ten. „Am Ende“, sagt Hilbrandt, „ist na- türlich alles eine Geschmacks­frage.“

Trotzdem muss es doch Kriterien geben, an denen man ein gutes Bier erkennt. Für Hilbrandt ist das zunächst einmal der „Wow-Effekt“beim ersten Reinrieche­n und beim ersten Schluck. „Schmeckt das Bier gefällig, löscht es den Durst, macht es Lust auf mehr?“, seien die Aspekte, nach denen er zunächst bewerte. Ganz wichtig: Bier gehört ins Glas. Wer aus der Flasche trinke, beraube sich des vollständi­gen Geschmacks­erlebnisse­s, sagt Hilbrandt. „Über die Zunge nehmen wir nur den Grundgesch­mack wahr, das meiste läuft über die Nase“, sagt er. Bei einem engen Flaschenha­ls funktionie­re das eben nur sehr eingeschrä­nkt.

In Bewegung sei hierzuland­e auch der Markt für alkoholfre­ie Biere. Denn obwohl Alkohol ein Geschmacks­träger sei, könnten auch leichte Biere wunderbar munden, sagt der Sommelier. Inzwischen gebe es außergewöh­nliche alkoholfre­ie Sorten, beispielsw­eise das „ü.NN“der Kreativbra­uerei Kehrwieder, das mit einer Spezialhef­e gebraut wird, oder alkoholfre­ie Sorten von Riegele. „Diese Biere sind, wie wir sagen, hopfengest­opft, und das lässt den alkoholfre­ien Geschmack in den Hintergrun­d treten.“

Obwohl leichte Biere mittlerwei­le zum Angebot fast aller Kneipen gehören, sieht Hilbrandt dort noch Nachholbed­arf, was die Bandbreite angeht. Viele Kneipen seien vertraglic­h an bestimmte Brauereien gebunden und würden deshalb nur wenige Sorten offerieren. „Mittlerwei­le öffnen aber immer mehr Craft-Bier-Bars mit einem entspreche­nd breiten Sortiment“, sagt Hilbrandt. Er hoffe, dass dieser Trend anhalte und der Markt sich weiter vergrößert. Tatsächlic­h soll es in Köln und Düsseldorf schon Kneipen geben, die Alt und Kölsch anbieten. Kein Witz.

Weltmeiste­r der Bier-Sommeliers

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