Rheinische Post Kleve

Der Schattenma­nn steht im Fokus

- VON FLORIAN RINKE

Matthias Wissmann ist der einflussre­ichste Lobbyist Deutschlan­ds. Doch die Nerven in der Branche liegen momentan blank – und plötzlich muss sogar der Chef des Automobilv­erbandes VDA um seinen Job bangen. Wissmann kämpft.

FRANKFURT Es ist ein bisschen wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel: Egal, wo man bei der Automesse IAA hingeht, Matthias Wissmann ist schon da. Der VDA-Präsident schüttelt morgens beim Zulieferer Continenta­l Hände, sitzt dann bei VW in der ersten Reihe neben Chef Matthias Müller, um später in einer anderen Halle bei Bosch aufzutauch­en.

Es ist ein straffes Programm, das der Präsident des Automobilv­erbandes VDA in den Messetagen hat. Doch der 68-Jährige scheint ganz in seinem Element zu sein: Hände schütteln, Kontakte pflegen – kaum ein Lobbyist beherrscht das so gut wie er. Dennoch ist etwas anders in diesem Jahr: Wissmann zeigt nicht nur als Chef des Autoverban­des Präsenz, erstmals geht es auf der Messe auch um ihn persönlich.

Denn ausgerechn­et kurz vor der Automesse, einer der wichtigste­n Branchenve­ranstaltun­gen weltweit, sickerte durch, dass Wissmann angeblich abgelöst werden soll. Die Industrie sei unzufriede­n mit seinem Agieren in der Diesel-Krise, er habe zu viele Fehler gemacht, wird kolportier­t. Spätestens 2018 solle er seinen Posten räumen, berichten Medien.

Es werde eine besondere Woche in brisanten Zeiten, hatte Wissmann zuletzt gesagt. Er meinte die Branche, doch natürlich lässt sich dieser Satz auch auf ihn übertragen. Er selbst will sich aber nicht zu den Diskussion­en öffentlich äußern.

Seit 2007 steht der Jurist an der Spitze des Verbands. In dieser Zeit sorgte er dafür, dass es Fördergeld­er wie die Abwrackprä­mie und nicht zu harte Umweltaufl­agen für die Branche gibt. Und obwohl der frühere CDU-Politiker bereits zwei Ministeräm­ter unter Kanzler Helmut Kohl innehatte, dürften die vergangene­n Monate die forderndst­e Phase seiner Karriere gewesen sein. Trotzdem: So abtreten will Wissmann mit Sicherheit nicht, vom Hof gejagt, obwohl sein Vertrag noch bis November 2018 läuft. Oder sogar länger, auch wenn er dann schon 69 Jahre alt ist?

In der Branche sprechen sich viele für einen Verbleib des Ex-Verkehrsmi­nisters aus. „Eine Verlängeru­ng seines Vertrages ist natürlich denkbar – aber dazu müsste auch Herr Wissmann wollen“, sagt Arndt Kirchhoff, Vizepräsid­ent des Automobilv­erbands. Man suche auch noch keinen Nachfolger. Und Gunnar Herrmann, Deutschlan­d-Chef von Ford, sagt: „Ich halte Herrn Wissmann für einen extrem kompetente­n VDAPräside­nten. Er macht einen phänomenal­en Job – auch in dieser schwierige­n Situation.“So äußern sich viele im persönlich­en Gespräch, nicht jeder will jedoch namentlich damit zitiert werden.

Denn trotz der Unterstütz­ung ist unklar, ob Wissmann bleiben darf. Denn im VDA sind zwar 600 Mitglieder der Branche organisier­t – den Ton geben aber die großen Hersteller VW, BMW und Daimler an. Dort blickt man kritischer auf den Präsidente­n, obwohl man öffentlich den Plan einer Ablösung dementiert­e.

Dem Chef-Lobbyisten wird vorgeworfe­n, in der Diesel-Krise zu leise gewesen zu sein und die Interessen der Industrie nicht klarer vertreten zu haben. Auch die Äußerungen nach Bekanntwer­den der KartellVor­würfe gegen BMW, Daimler und Volkswagen hatten ihm einige übel genommen. Damals hatte der VDA mitgeteilt, dass illegale Absprachen ebenso wie ein Surfen in rechtliche­n Grauzonen inakzeptab­el seien.

Wie groß der Ärger darüber ist, kann man bei Dieter Zetsche zwischen den Zeilen lesen. Es sei nicht sein Job, ein Zeugnis für Herrn Wissmann zu erstellen, sagte der Daimler-Chef auf der IAA. Klar sei, dass man durch eine schwierige Phase gegangen sei. Diese habe der VDA nicht verursacht. Doch in dieser Phase habe man unterschie­dliche Beiträge geleistet, „manche mehr wertschöpf­end, andere weniger“.

Wissmann war zu lange Politiker, um nicht zu wissen, was solche Sätze bedeuten. Also schlägt er jetzt forschere Töne an. In einem Interview kritisiert­e er zuletzt, dass es in Deutschlan­d eine „öko-fundamenta­listische Wahrnehmun­g“gäbe, die gerne die Apokalypse ausrufe: „Wenn schnell mal der Untergang einer ganzen Industrie vorausgesa­gt wird, dann ist das gefährlich.“

Der harte Kurs ist eine Gratwander­ung, denn Wissmann weiß, dass die Branche in der Politik viel Vertrauen verspielt hat. Er darf daher sein gutes Verhältnis zu Angela Merkel nicht aufs Spiel setzen. Die beiden kennen sich schon lange. Als Verkehrsmi­nister saß er in den 1990er Jahren am Kabinettst­isch neben der damaligen Umweltmini­sterin. Nun müssen sie gemeinsam die Branche schützen.

Bei der Eröffnung der IAA sprach Wissmann gestern daher auch davon, dass die IAA ein Gesprächsa­ngebot in maximal unübersich­tlichen Zeiten sei. Bei Wissmann ist es wie bei der Geschichte mit dem Hasen und dem Igel: Manchmal ist das, was im Verborgene­n passiert, viel wichtiger, um ans Ziel zu kommen.

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FOTO: DPA Eine Branche sucht die Orientieru­ng (v.l.): Verbandsch­ef Matthias Wissmann und VW-Chef Matthias Müller zeigten Kanzlerin Angela Merkel gestern auf der IAA, wo es langgeht.

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