Hiesinger ist noch weit vom Ziel entfernt
Einen hübschen Image-Film für das Joint Venture von Tata Steel Europe und der Thyssenkrupp-Stahlsparte gibt es schon, doch dass der Deal bereits in trockenen Tüchern ist, davon kann wahrlich keine Rede sein. Vor allem der Widerstand der Arbeitnehmer könnte in den kommenden Monaten noch für erhebliche Schwierigkeiten sorgen. Die IG Metall hat schon klar gemacht, dass sie sich für eine Prüfung der JointVenture-Pläne Zeit nehmen wird. Die Sorge ist groß, dass es mit dem Abbau von 2000 Stellen nicht getan ist. Die Gewerkschaft spricht schon davon, dass die Zahlen aus der Luft gegriffen seien. Auf deutscher Seite herrscht zudem die Angst, dass Thyssenkrupp bei dem Deal den Kürzeren ziehen könnte. Schließlich gibt es für den britischen Standort Port Talbot weitreichende Standort- und Beschäftigungsgarantien, bei den deutschen Beschäftigten sind lediglich Kündigungen bis 2021 ausgeschlossen. Standortschließungen dagegen nicht.
Sollten sich die Arbeitnehmer quer stellen, wäre das Gift für den ambitionierten Zeitplan des Konzernchefs. Und Hiesinger benötigt angesichts der besorgniserregend niedrigen Eigenkapital-Quote und des Aktionärs-Drucks schnelle Erfolgsmeldungen. BERICHT THYSSEN STELLT WEICHEN FÜR STAHLFUSION, TITELSEITE
FChefsache Demokratie
rank-Walter Steinmeier hat das Thema seiner Präsidentschaft gefunden. Wenn sich immer mehr Demokratien in autoritäre Systeme verwandeln und Populisten die Spielregeln von Anstand und Respekt beiseite zu schieben versuchen, dann geht es um die Zukunft der Demokratie. Und dann kommt dem Staatsoberhaupt eine besondere Aufgabe zu: Nicht nur tagesaktuell bei Fehlentwicklungen zu mahnen, sondern auf Dauer am Ball zu bleiben.
Er hätte die leichtere Variante wählen und seine neue Dialog-Reihe zur Zukunft der Demokratie nach den Wahlen beginnen können. Doch er startete damit kurz vor dem Wahltag und mischte sich gleich in die Tagespolitik ein, indem er gegen das Niederbrüllen anderer Meinungen in Stellung ging. Das zeugt davon, wie wichtig dem Präsidenten dieses Projekt ist. Und dass er auch die protokollarische Tradition des Reden haltenden und vornehm zuhörenden Präsidenten hinter sich lässt und selbst als Moderator und Akteur auf die Bühne der Auseinandersetzung geht, lässt auf ein Engagement schließen, das Thema, Staat und Gesellschaft nur guttun kann. BERICHT
Gewalt in Katalonien
Die Forderung nach einer Loslösung Kataloniens vom Rest Spaniens ist wahrhaftig nicht neu, sie ist fester Bestandteil der politischen Identität einer Region, die traditionell auf Abstand zur Zentralregierung in Madrid achtet. Das hat mit kulturellem Stolz zu tun, vor allem aber auch mit Besitzstandsdenken in Spaniens reichster Region. Dass sich der Streit gerade jetzt derart zuspitzt, ist auch eine Folge der schweren Wirtschaftskrise, die Spanien in den letzten Jahren durchgemacht hat. Sie hat bei vielen Katalanen die Idee verstärkt, in einem unabhängigen Staat ließe es sich besser leben.
Die Regierung in Madrid ist formal im Recht, wenn sie jetzt gegen das geplante Referendum vorgeht, das gegen die spanische Verfassung verstößt. Aber es hätte im Vorfeld die Möglichkeit gegeben, politisch Dampf aus dem Kessel zu lassen. Hätte das spanische Parlament den Weg für eine Abstimmung in Katalonien freigemacht, wäre diese höchstwahrscheinlich für einen Verbleib bei Spanien ausgegangen. Jetzt aber droht am 1. Oktober sogar Gewalt, und damit rückt eine Spaltung Spaniens tatsächlich näher. BERICHT